Nun geht es um die Art der Bestrafungen, die Gott sich für jene vorbehält, die Götzen anbeten, sein auserwähltes Volk bedrohen (allerdings ist auch dieses Volk selbst zuweilen im Fokus göttlicher Bestrafung) oder sich auf andere Weise daneben benehmen. Über Gott heißt es: „Darum bestrafst du die Sünder nur nach und nach; / du mahnst sie und erinnerst sie an ihre Sünden, / damit sie sich von ihrer Schlechtigkeit abwenden und an dich glauben, Herr.“ Das klingt großzügiger als es ist, wenn es schon im nächsten Satz heißt: „Du hast auch die früheren Bewohner deines heiligen Landes gehasst“, da es sich bei ihnen „von Anfang an um eine verfluchte Nachkommenschaft“ gehandelt hatte, weswegen deren Vernichtung gerechtfertigt war.
Als Belege der Schlechtigkeit jener Menschen werden eine Reihe tatsächlich grauenvoller Verbrechen genannt, die auch den Mord an Kindern sowie Kannibalismus miteinschlossen. „Das Land, das dir vor allen anderen teuer ist, / sollte ein seiner würdigen Bevölkerung von Gotteskindern erhalten“, wird dann festgestellt. Damit wird auf die Israeliten angespielt, die sich diesen Platz jedoch ebenfalls auf eine atemberaubend brutale Weise sicherten, indem sie einen Großteil der Bewohner Kanaans schlicht umbrachten, was womöglich trotzdem nicht an die Verfehlungen von Menschenopfer-Kulturen herankommt, aber sicherlich auch nicht deren friedlichen Gegenentwurf darstellt. Zumal auch sie Kinder opferten, als sie sich in Kanaan anderen Kulten und Religionen annäherten.
Götzendiener verehren das Holz und nicht den, der das Holz erschaffen hat
Dass aber Gott „die Sünder nur nach und nach“ bestraft, ist auch in Bezug auf die Israeliten nicht immer richtig. Zwar zeigte er auf dem Weg von Ägypten nach Kanaan zumeist eine erstaunliche Langmut, wenn man bedenkt, dass sein Volk in regelmäßigen Abständen vom Glauben abzufallen drohte, aber es gab auch Gegenbeispiele. Etwa bei der Bestrafung von Korach, Datan und Abiram, die sich gegen die Sonderstellung des Moses ausgesprochen hatten und dafür von Gott getötet wurden. Mitsamt ihrer Familien übrigens „und allen Menschen, die zu ihnen gehörten.“ Das klingt dann schon eher nach dem Holzhammer der Wut als nach dem Skalpell der Gerechtigkeit.
Das Problem mit den Menschen, denen „die Gotteskenntnis“ fehlt, wird ebenfalls benannt. Es ist ihre Unfähigkeit, den Erschaffer hinter dem Erschaffenen zu erkennen. So würden sie irrend durch die Welt gehen, da ihre Schlussfolgerungen verkürzt seien und entsprechend auch ihr darauffolgendes Verhalten. „Beim Anblick der Werke erkannten sie den Meister nicht, sondern hielten das Feuer, den Wind, die flüchtige Luft, der Kreis der Gestirne, die gewaltsame Flut / oder die Welt beherrschenden Himmelskörper für Götter.“ Darum wäre es nicht überraschend, dass diese Menschen das Feuer und die Gestirne als Götter verehrten und anfällig für jede Art von Götzendienst seien.
Da könnte schon ein „krummes, knotiges Stück Holz“ ausreichen, das entfernt dem Aussehen eines Menschen oder auch nur Tieres ähnelt und mit „roter Schminke beschmiert“ wurde, damit jene ohne „Gotteskenntnis“ anfangen, dieses Holzstück als Gottheit zu verehren. Dabei handle es sich aber keineswegs um einen harmlosen Irrweg, den die Götzendiener hier einschlagen würden, wird sogleich klargestellt. Im Gegenteil wären sie für die größte Katastrophe verantwortlich, die der Menschheit je widerfuhr und durch die sie fast komplett ausgelöscht wurde: die Sintflut. Übrigens wird in diesem Kontext auch der Untergang der Riesen erwähnt, ohne, dass über deren Existenz ansonsten in der Bibel gesprochen wurde. Gab es ein Volk der Riesen vor der Sintflut und wenn ja, waren diese Riese auch Menschen? Es wird nicht weiter erläutert und steht darum wie ein Rätselwort im Text, ohne seine Geheimnisse verraten zu wollen.
(Fortsetzung folgt…)