Weiter ging es zu den Faulen, den natürlichen Verwandten der Toren. Salomos Verachtung für diesen Menschenschlag brachte er mit diesen Sätzen zum Ausdruck: „Der Faule sagt: Ein Löwe ist auf dem Weg, / ein Raubtier ist auf den Straßen. Die Tür dreht sich in ihrer Angel / und der Faule in seinem Bett.“ Anstatt also die Gefahr zu bannen, die er sehr wohl bemerkt hat, ist der Faule zu gemütlich und schläft lieber weiter. Daneben hat Salomo auch einige Ratschläge parat, die ein Großvater oder eine Kindergärtnerin verteilen würden. Etwa: „Findest du Honig, iss nur, so viel dir bekommt, / sonst wirst du ihn satt und erbrichst ihn.“ Oder Appelle zur Mäßigung der Eitelkeit: „Rühmen soll dich ein anderer, nicht dein eigener Mund, / ein Fremder, nicht deine eigenen Lippen.“ Auch warnt er vor Schmeicheleien: „Treu gemeint sind die Schläge eines Freundes, / zahlreich die Küsse eines Feindes.“ Er gibt Hinweise, wie man es sich mit seinen Freunden nicht verschätzt: „Mach dich rar im Haus deines Nächsten, / sonst wird er dich satt und verabscheut dich!“ und er empfiehlt zum wiederholten Male körperliche Gewalt in der Erziehung: „Züchtige deinen Sohn, so wird er dir Ruhe verschaffen / und deinem Herzen Freude verschaffen.“ In den Streit fremder Leute sollte man sich nicht einfach einmischen, denn: „Einen vorbeilaufenden Hund packt bei den Ohren, / wer sich in einen Streit mischt, der ihn nichts angeht.“

Dass man seinem Feind zu Essen geben soll, wenn er hungrig ist und zu trinken, wenn er Durst hat, klingt erstaunlich nobel, wird aber durch diesen etwas unklaren Zusatz ergänzt: „So sammelst du glühende Kohlen auf sein Haupt / und der HERR wird es dir vergelten.“ Offenbar wendet der HERR jede Hilfsbereitschaft, die man seinem Feind gegenüber zeigt, in eine Strafe gegenüber diesem Feind um. Das würde die ganze Idee der Gastfreundschaft auf ein völlig anderes Fundament stellen, wenn das so wäre, auch wenn es in der Bibel ansonsten nur wenige weitere Hinweise gibt, dass Gott Freundlichkeit wirklich in Hass umrechnet. Dass Salomo durchaus ein Gespür für Worte und deren Verbreitung hatte, zeigt ein weiteres Sprichwort, das wir sogar heute noch kennen und verwenden: „Wer eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.“ Eigentlich geht es noch weiter doch der zweite Teil ist völlig vergessen und lautet: „Wer einen Stein hochwälzt, auf den rollt er zurück.“ Da ist die Grube doch ein wesentlich besseres und weniger schmerzvolles Bild und Salomo selbst ging sofort daran, es zu etablieren, indem er es in einem weiteren Sprichwort verwendete, als wäre es nicht erst gerade von ihm erdacht worden, sondern schon längst Teil des Wortschatzes. Er schrieb also in einer etwas holprigeren Variante: „Wer Rechtschaffende irreführt auf einen bösen Weg, / der fällt in seine eigene Grube.“

Wieder sind es die Tiervergleiche, die am wenigsten passen

Die sechste Sammlung entspricht einem langen grüblerischen Monolog, der mit den so klugen wie offensichtlichen Weisheiten endet: „Stößt man Milch, so gibt es Butter, / stößt man die Nase, / so gibt es Blut, /stößt man den Zorn so gibt es Streit.“  Weniger klar ist, ob auch diese Feststellung stimmt: „So benimmt sich die ehebrecherische Frau:  / Sie isst, wischt sich den Mund / und sagt: Ich habe nichts Böses getan.“ Wie sich im Vergleich dazu die Frau benimmt, die tatsächlich nicht die Ehe gebrochen hat, bleibt diese Strophe schuldig. Klar dürfte nur sein, dass sie ebenfalls essen wird und sich den Mund säubert und verneinen würde, die Ehe zu brechen. Doch erneut sind es die Vergleiche mit der Tierwelt, die wirklich danebengehen: „Die Ameisen sind kein starkes Volk / und besorgen sich doch im Sommer ihr Futter. Klippdachse sind ein Volk ohne Macht / und doch bauen sie ihre Wohnung im Fels. Die Heuschrecken haben keinen König / und doch schwärmen sie alle geordnet aus. Eidechsen fängst du mit der Hand / und doch wohnen sie in Königspalästen.“ Die Reiche von Ameisen können sich über Kontinente hinweg erstrecken, was sie auf gewisse Weise wohl doch zu einem starken Volk macht. Klippdachs-Kolonien werden von einem Männchen geführt, das dadurch sehr wohl Macht hat. Heuschrecken schwärmen manchmal geordnet aus, aber die meisten sind ihr Leben lang Einzelgänger und Eidechsen leben im Palast, aber ihnen gehört der Palast nicht. Es überrascht ein wenig, dass in einer Zeit, in der die Menschen der Natur noch nicht so entfremdet waren wie heute, ausgerechnet den Tieren regelmäßig völlig falsche Eigenschaften zugeschrieben wurden.

In der siebten und letzten Sammlung wird dem König abgeraten, Wein zu trinken. „Er könnte beim Trinken seine Pflicht vergessen / und das Recht aller Notleidenden verdrehen.“ Außerdem geht es um die perfekte Ehefrau, die sich durch diese Eigenschaften auszeichnet: „Eine tüchtige Frau, wer findet sie? / Sie übertrifft alle Perlen an Wert. Das Herz ihres Mannes vertraut auf sie / und es fehlt ihr nicht an Gewinn. Sie tut ihm Gutes und nichts Böses / alle Tage ihres Lebens. Sie sorgt für Wolle und Flachs / und arbeitet voll Lust mit ihren Händen.“ Es folgen weitere Beschreibungen ihrer Disziplin, ihrer Zuverlässigkeit und ihres Fleißes, bevor es abschließend heißt: „Kraft und Würde sind ihr Gewand, / sie spottet der drohenden Zukunft. Sie öffnet ihren Mund in Weisheit / und Unterweisung in Güte ist auf ihrer Zunge.“ Und mit diesem Hinweis auf die perfekte Frau, die offenbar auch keinerlei eigene Bedürfnisse kennt, schließen die Bücher der Sprichwörter.

(Fortsetzung folgt…)