Auch an anderen Stellen positioniert sich Salomo eindeutig gegen eine Lebensführung, in der mehr als eine Frau als Partnerin in Frage kommt und empfiehlt, dass man sich mit der „Frau aus deinen Jugendtagen“ bescheiden sollte, deren „Brüste sollen dich immer berauschen / und ihre Liebe dich allzeit betören.“ Salomo selbst lebte das Ideal des Mannes, der für immer mit nur einer Frau glücklich ist, übrigens nicht in ganzer Glaubwürdigkeit vor, denn er hatte nicht weniger als tausend Frauen und damit neunhundertneunundneunzig mehr als er öffentlich für sinnvoll erklärte.

Frauen sind auch einer der beiden Schwerpunkte in der zweiten Sammlung der Sprichwörter (neben der Erziehung), so wie sie auch sonst im Zentrum der salomonischen Sittenlehre stehen und dabei nicht wirklich gut wegkommen. „Ein goldener Ring im Rüssel eines Schweins / ist eine Frau, die schön ist, aber sittenlos“, heißt es da etwa, bevor empfohlen wird: „Besser in einer Ecke des Daches wohnen / als eine zänkische Frau im gemeinsamen Haus“ oder: „Besser in der Wüste hausen / als Ärger mit einer zänkischen Frau“, da dieses „Gezänke“ der Frau „wie ein ständig tropfendes Dach“ sei. Eine „schändliche“ Frau ist für den Mann außerdem „wie die Fäulnis in seinen Knochen“ und „der Mund fremder Frau ist eine tiefe Grube; / wen der HERR verdammt, der fällt hinein.“ Für einen Mann, der tausend Frauen hatte, fand Salomo erstaunlich wenige gute Worte für sie.

Salomo greift seinen Vater David in Versform an

Doch er ist nicht bei jedem Thema so negativ, so betont er an anderer Stelle, wie wichtig die Lebensfreude für den Menschen ist. So weiß er: „Ein fröhliches Herz macht das Gesicht heiter, / Kummer im Herzen bedrückt das Gemüt“ und schieb an anderer Stelle nach: „Ein fröhliches Herz tut der Gesundheit gut / ein bedrücktes Gemüt lässt die Glieder verdorren.“ Ein möglichst entspanntes Umfeld hält er sogar für wichtiger als materielle Reichtümer, denn: „Besser ein Gericht Gemüse, wo Frieden herrscht / als ein gemästeter Ochse und Hass dabei“ und außerdem „besser ein trockenes Stück Brot und Ruhe dabei / als ein Haus voll Braten und dabei Streit.“

Erstaunlich viel Raum für Spekulationen lässt dieses Sprichwort: „Besser ein Langmütiger als ein Kriegsheld / besser, wer sich selbst beherrscht, als wer eine Stadt erobert.“ Nicht nur erstaunt dieses Bekenntnis zur Friedfertigkeit generell, da in Salomos Zeiten – und auch jeder anderen, auf die er sich beziehen könnte – Krieg nicht nur eine übliche Art der Problemlösung darstellte, sondern auch auf ausgesprochen grausame Weise geführt wurde. Vor allem aber ist bemerkenswert, dass es sich um einen Seitenhieb gegen den eigenen Vater König David handelt.

Schließlich hatte dieser Goliath besiegt und wurde damit zum Inbegriff eines Kriegshelden, bevor er in verschiedenen Schlachten Städte eroberte, zerstörte und ihre Bevölkerung umbringen ließ. Salomos Vater war damit das Gegenteil eines Friedfertigen und Langmütigen und Salomo dürfte das durchaus bewusst gewesen sein. Trotzdem veröffentlichte er dieses Bekenntnis zur Friedfertigkeit, der einen Großteil dessen entwertete, was das Leben seines Vaters ausgemacht hatte.

(Fortsetzung folgt…)