Manchmal erreichten die Schmeicheleien und Lobpreisungen auch ein Niveau, das keinen Platz für Selbstkritik ließ. Etwa in Bezug auf die Eroberung des heiligen Landes nach der Durchquerung der Wüste: „Denn nicht mit ihrem Schwert nahmen sie das Land in Besitz und nicht ihr Arm hat ihre Rettung gebracht; nein, deine Rechte war es, dein Arm und das Licht deines Angesichts; denn du hattest an ihnen Gefallen.“ Das ist nur die eine Seite der Wahrheit, die andere ist, dass die Israeliten sehr wohl mit dem Schwert das Land in Besitz nahmen. Mit demselben Schwert, mit dem sie auch die bisherigen Einwohner töteten oder vertrieben.

Davids Psalmen drehen sich weiterhin viel um eigene Abenteuer, in denen er zumeist auf der Flucht war und göttliche Hilfe erflehte. An einer Stelle stellt er betroffen fest: „Zahlreicher als auf meinem Kopf die Haare sind die, die mich grundlos hassen“, wobei die Frage ist, wie grundlos dieser Hass ist (und wie voll sein Haar). Immerhin teilt er selbst gerne gegen seine Gegner aus oder jene, die er dafür hielt. So erklärt er: „Vom Mutterschoß aus sind die Frevler treulos, vom Mutterleib an irren die Lügner ab“, während er über sich recht selbstbewusst sagte: „An mir, HERR, ist kein Frevel und keine Sünde. Ich bin ohne Schuld.“ David hätte also jenen berühmten ersten Stein geworfen, über den Jesus viele Jahrhunderte später sagte, dass ihn nur jemand ohne Sünde werfen darf – und hätte damit die Wirkung dieses Satzes dramatisch reduziert.

David litt unter den Feinden, die ihm den „ganzen Tag nachstellten“, nur um an anderer Stelle über menschliche Gegner seltsam herablassen zu dichten: „Was kann ein Fleisch mir antun?“ Was er ihnen antun kann, wenn Gott mit ihm ist, beschreibt er wiederum gerne und ausführlich. Das kann dann so aussehen: „Wenn er die  Vergeltung sieht, freut sich der Gerechte; er badet seine Füße im Blut des Frevlers“ oder „Dein Fuß wird baden im Blut, die Zunge deiner Hunde ihren Anteil bekommen an den Feinden.“ Fest steht jedenfalls: „Ja, Gott zerschmettert das Haupt seiner Feinde, den Scheitel dessen, der in Sünde dahinlebt“ und ist für solche Bestrafungsaktionen bestens gerüstet, denn „die Wagen Gottes sind zahllos, tausend mal tausend.“

Und dann geht es plötzlich um Drachen

Im dritten Buch kommt der bisher so fleißige Dichterkönig David nur noch auf einen einzigen Beitrag. Dafür hat nun jener Asaf mit 11 der 17 Psalmen eine Reihe von Beiträgen, nachdem er bisher nur mit einem Psalm vertreten war. Er beschäftigt sich unter anderem mit Prahlern und Frevlern: „Darum ist Hochmut ihr Halsschmuck, wie ein Gewand umhüllt sie Gewalttat. Sie sehen kaum aus den Augen vor Fett, ihr Herz läuft über von bösen Plänen. Sie höhnen und reden Böses, Unterdrückung reden sie von oben herab. Sie reißen ihr Maul bis zum Himmel auf und lassen auf Erden ihrer Zunge freien Lauf.“ Aus ihnen werden Populisten, Volksverführer und Demagogen, denn: „Darum wendet sich das Volk ihnen zu, das Wasser ihrer Worte schlürfen sie gierig.“

Doch auch wenn Asaf dachte, „sie leiden ja keine Qualen“ und „immer im Glück häufen sie Reichtum auf Reichtum“, weiß er zum Schluss: „Die fern sind von dir, gehen zugrunde, du vernichtest alle, die dich treulos verlassen.“ Er beschreibt in zwei verschiedenen Psalmen die Verwüstungen des Tempels. Im ersten geht er auf die Schäden am und im Heiligtum ein: „Der Feind hat im Heiligtum alles verwüstet. Deine Widersacher lärmten mitten in der Stätte deiner Gegenwart, ihre Feldzeichen stellten sie als Zeichen auf. Es sah aus, wie wenn man hochschwingt die Äxte im Dickicht des Waldes, so zerschlugen sie all das Schnitzwerk mit Beil und Hacke. Sie legten an dein Heiligtum Feuer, entweihten die Wohnung deines Namens bis auf den Grund.“ Im zweiten geht es um die Massaker an den Juden, die diese Zerstörung des Tempels begleiteten: „Die Leichen deiner Knechte haben sie zum Fraß gegeben den Vögeln des Himmels, das Fleisch deiner Frommen den Tieren der Erde. Ihr Blut haben sie wie Wasser vergossen rings um Jerusalem und niemand hat sie begraben.“

Worauf er anspielt, wenn es heißt „du hast mit deiner Macht das Meer gespalten“, ist klar. Weniger klar ist der zweite Teil des Satzes, der lautet: „die Häupter der Drachen über den Wassern zerschmettert?“ Was für Drachen? Darauf geht der Dichter leider nicht genauer ein, sondern beschreibt lieber weitere Wundertaten des HERRN.

(Fortsetzung folgt…)