Hiobs Antwort deutet schon an, wie hier die Verhältnisse liegen. Gottes Rede füllte zwei Seiten der Bibel, Hiobs Antwort nur acht dünne Zeilen, die im Wesentlichen hieraus bestanden: „Siehe ich bin zu gering. Was kann ich dir erwidern? / Ich lege meine Hand auf meinen Mund.“ Er hatte offenbar keine Hoffnung, mit Gott über das sprechen zu können, was ihm widerfahren war. Der HERR hingegen hatte durchaus noch Redebedarf und fing ähnlich herausfordernd an wie bei seinem ersten Monolog: „Auf, gürte deine Lenden wie ein Mann! / Ich will dich fragen, du belehre mich!“ Wobei er dieses Mal noch drohender wurde und sich der Eindruck aufdrängte, dass hier womöglich ein großes Missverständnis vorlag und er sich von Hiob bedroht fühlte. Er rief jedenfalls aus: „Willst du wirklich mein Recht brechen, / mich schuldig sprechen, damit du Recht behältst? Hast du denn einen Arm wie Gott, / dröhnst du wie er mit Donnerstimme?“

Nichts davon wollte Hiob jemals. Er hatte auch keinen Arm wie Gott, sondern einen von Ausschlag und Eiter entstellten, was für seinen gesamten Körper galt. Außerdem waren seine Kinder tot und sein Reichtum dahin. Darum ging es ihm. Gott aber ging es nun um Nilpferde. Er nutzte jetzt einen Großteil seiner zweiten Rede, um über diese Tiere zu sprechen und regelrecht zu schwärmen: „Sieh doch das Nilpferd, das ich wie dich erschuf. / Grass frisst es wie ein Rind. Sieh doch die Kraft in seinen Lenden / und die Stärke in den Muskeln seines Leibes! Seine Knochen sind Röhren aus Bronze, / wie Eisenstangen sein Gebein. Es lagert unter Lotusbüschen, / im Versteck von Schilf und Sumpf. Ich will nicht schweigen von seinen Gliedern, / von seiner Kraft und Größe, von seiner gefälligen Gestalt.“

Gott schimpft und Hiob schweigt

Während es sich nach den bisherigen Beschreibungen eindeutig um ein gewöhnliches Nilpferd handelte, geraten Gottes weitere Beschreibungen ein wenig ins Außergewöhnliche. „Sein Niesen lässt Licht aufleuchten; / seine Augen sind wie die Lider der Morgenröte“, klingt schon etwas erstaunlich, könnte aber noch unter schwärmerisch verbucht werden, was sich von der „Flamme aus seinem Maul“ aber definitiv nicht mehr behaupten lässt. Das Nilpferd als feuerspeiendes Säugetier! Gott hatte in seiner zweiten Rede viel über das Nilpferd gesprochen und wieder gar nicht über Hiobs Verluste oder seine eigene Wette mit Satan.

„Ich habe erkannt, dass du alles vermagst!“, kommt es nun in einer weiteren resignierten Antwort Hiobs zurück, der sich selbstkritisch gibt: „Ich habe geredet, ohne zu verstehen, über Dinge, / die zu wunderbar für mich und unbegreiflich sind.“ Ob er dabei auch an  feuerspeiende Nilpferde dachte, ist nicht bekannt und auch nicht, ob er es wirklich ernst meinte mit seiner Selbstanklage. Womöglich hatte er auch einfach kapituliert und wollte einen ohnehin gereizten Gott nicht weiter provozieren. Jedenfalls klagte er sich nun selbst an: „Darum widerrufe ich, / Ich bereue in Staub und Asche.“ Wobei unklar bleibt, was er bereute, da er nur wissen wollte, warum ihm all die schrecklichen Dinge angetan wurden. Aber Gott schien mit dieser Reaktion zufrieden zu sein und mehr hatte Hiob wohl nicht mehr zu hoffen gewagt.

Gott versöhnte sich mit Hiob, wütete aber dafür jetzt gegen dessen drei Freunde, , denen er vorwarf, „nicht recht von mir gesprochen zu haben.“ Der junge Überraschungsgast der Runde, Elihus, war offenbar wieder so geheimnisvoll verschwunden, wie er gekommen war, denn er wurde an dieser Stelle nicht mehr erwähnt. Erst auf die Bitten Hiobs hin und wegen eilig erbrachter Opfergaben, wurden die Freunde verschont, während Hiob selbst zwar nie die Wahrheit über Satan und die Wette erfuhr, aber vom HERR immerhin seinen „Besitz auf das Doppelte“ vermehrt bekam. Außerdem kamen seine Brüder und Schwestern und seine Bekannten und speisten bei ihm und gaben ihm endlich das, was er sich die ganze Zeit gewünscht hatte und bisher nie bekam: „Sie bezeigtem ihm ihr Mitleid und trösteten ihn wegen all des Unglücks, das der HERR über ihn gebracht hatte.“

Nun brachte dieser HERR aber neben einem erneut riesigen Viehbestand, zu dem vierzehntausend Schafe und sechstausend Kamele, tausend Rinder und ebenso viele Esel gehörten, auch wieder Kinderlachen ins Leben Hiobs. Er wurde erneut Vater von sieben Söhnen und drei Mädchen. Außerdem machte Gott für ihn eine Ausnahme von seiner Lebensaltergrenze von 120 Jahren, denn Hiob lebte noch „hundertvierzig Jahre und er sah seine Kinder und Kindeskinder, vier Generationen. Dann starb Hiob, hochbetagt und satt an Lebensjahren.“

Ob die Geschwüre am Körper wieder verschwanden, wird nicht erwähnt, aber man kann für ihn hoffen, dass Gott diesen Aspekt seines Leidens nicht übersehen hatte, was aber kaum möglich war. Satan wurde nicht mehr erwähnt und auch keine Nachbesprechung der Wette zwischen Gott und ihm. Ebenfalls nicht ausreichend beleuchtet wurde die Tatsache, dass in der Hiob-Geschichte womöglich die schlechtesten Freunde der Weltgeschichte ihren Auftritt haben.

(Fortsetzung folgt…)