Als drei enge Freunde Hiobs von seinen Schicksalsschlägen hörten, eilten sie aus ihren jeweiligen Heimatorten zu ihm, um ihm beizustehen, ihn zu trösten und Mut zuzusprechen. Man kann sagen, dass das auf spektakuläre Weise schiefging. Schon die Begrüßung verlief unglücklich, da sie ihren Freund Hiob im ersten Moment nicht erkannten und dann aufgrund der Schwere seiner Entstellungen „aufschrien und weinten“, bevor sie sich mit ihm zusammen auf den Boden setzten und sieben Tage lang schwiegen. Als Hiob danach das Schweigen brach, setzte er zu einer fürchterlichen Selbstanklage an: „Warum starb ich nicht vom Mutterschoß weg, / kam ich aus dem Mutterleib und verschied nicht gleich?“ Nun ergriffen auch seine Freunde das Wort. Als Erster äußerte sich Elifas und klang erstaunlich empathielos, als er ausrief: „Nun kommt es über dich, da gibst du auf, / nun fasst es dich an da bist du verstört.“

Man sollte annehmen, dass jemand, der gerade alle seine Kinder verloren hat und wirtschaftlich ruiniert ist, während er am ganzen Körper von Geschwüren gequält wird, durchaus etwas verstört sein darf. Aber Elifas sah das anders und machte es noch schlimmer. Er fing an, Hiob eine Mitschuld an seinem Unglück zu geben, denn „bedenk doch! Wer geht ohne Schuld zugrunde? / Wo werden Redliche im Stich gelassen?“ Entweder war er sehr unglücklich bei der Wahl seiner Worte oder vielleicht doch kein so guter Freund, wie Hiob immer dachte. Wenig überraschend, scheiterte er auch mit seinem Versuch, Hiob am Ende Mut zu machen: „Du wirst erfahren, dass deine Nachkommen zahlreich sind, / deine Sprösslinge wie das Gras der Erde.“ Was will ein Mann wohl lieber hören, der gerade in zehnfache Trauer versunken ist, als irgendwelche Anspielungen auf zahlreiche Nachkommen, die er angeblich haben wird.

Freunde, die einem zehnfach Trauernden nur Vorwürfe machen

Vielleicht hatte Elifas die ungeschickteste Ansprache gehalten, die ein Freund einem Freund überhaupt bieten kann, obwohl er mit ihm zusammen eine Woche lang stumm da gesessen hatte und sich über jedes seiner Worte Gedanken machen konnte. Es sollte nicht erstaunen, dass Hiob sich von seinem Freund kaum getröstet oder auch nur verstanden fühlte. Wenig subtil macht er darum deutlich: „Ist meine Kraft denn Felsenkraft, / ist mein Fleisch denn aus Erz?“ Dass sein Fleisch nicht aus Erz war, stellte er selbst kurz darauf klar, als er beschrieb, aus was es stattdessen bestand: „Mein Leib ist gekleidet in Maden und Schorf, meine Haut schrumpft und eitert.“ Offensichtlich hatte er sich wirklich etwas mehr Verständnis erwartet, statt Vorwürfe und Unterstellungen, denn er mahnte auch noch an: „Habe ich denn gesagt: Gebt mir etwas, / von eurem Vermögen, zahlt für mich und rettet mich aus dem Griff des Bedrängers?“ Er hatte tatsächlich auf nicht viel mehr als etwas Wärme und Anteilnahme gehofft, die er bislang aber nicht bekommen hatte.

Womöglich stellte sich ja der nächste der Freunde besser an? Nein, tat er nicht. Absolut nicht. Bildads hatte sich die Rede des Hiobs angehört, der über seine Leiden sprach und gab nun recht schroff zurück: „Wie lange noch willst du derlei reden?“, bevor er nachschob, dass seine Kinder wohl nicht schuldlos gestorben seien, womöglich hatten sie etwas getan, das Gottes Strafe provozierte. Hiob schien auf diese Sichtweise seines Freundes nicht wirklich eingehen zu wollen und fing lieber an, allgemein Gottes Größe zu bezeugen. Auch bedauerte er, dass ihm das alles kein Mensch angetan hatte, sondern der HERR: „Denn er ist kein Mann wie ich, / dem ich entgegen könnte: / Lasst uns zusammen zum Gericht gehen! Es gibt keinen Schiedsmann zwischen uns, / der seine Hand auf uns beide legt.“ Dabei hatte er nur einen Wunsch: „Ich sage zu Gott: Sprich mich nicht schuldig, / lass mich wissen, warum du mich befehdest!“

Eine nachvollziehbare Bitte, für die seine Freunde bislang trotzdem kein Verständnis hatten. Vielleicht änderte sich das aber mit dem Dritten in der Runde?

(Fortsetzung folgt…)