Doch damit zurück zu Alkimus. Dieser übte Rache an den Juden, die sich ihm widersetzt hatten und zu Judas hielten, woraufhin Judas Rache an denen übte, die zu Alkismus hielten. Es war eine fürchterliche Folge von Gewalt, auf die mit Gewalt reagierte wurde, die wieder Gewalt provozierte. Mitten in diesen brutalen Bürger- und Religionskrieg hinein schickte der König einen alten Bekannten: Nikanor. Einen Befehlshaber, der schon einmal in Juda einmarschiert war, eine schwere Niederlage eingesteckt hatte und unter demütigenden Umständen zur Flucht gezwungen wurde: „Er musste sein Prachtgewand ausziehen und sich wie ein entlaufener Sklave mitten durch das Land allein nach Antiochia durchschlagen.“ Offenbar hatte das seinen Groll nur noch mehr verstärkt, denn er war ein „hasserfüllter Gegner Israels“, der mit dem Ziel betraut wurde, „das Volk zu vernichten“. Einer der Fälle also, wo Beruf und Berufung auf die düsterste Art zusammenfielen.

Entgegen allen Erwartungen sollte sein zweiter Aufenthalt jedoch einen skurril-tragischen Verlauf nehmen. Nach einigen Scharmützeln mit den Makkabäern einigte er sich mit ihnen völlig überraschend friedlich. Mehr noch, er und Judas wurden so enge Freunde, dass Nikanor Judas empfahl, zu heiraten und eine Familie zu gründen, was dieser dann auch tatsächlich tat: „So heiratete Judas und es ging ihm gut und er freute sich seines Lebens“, heißt es dazu. Doch diese Sorglosigkeit sollte bald ebenso zerstört werden wie die unerwartete Freundschaft zu Nikanor. Schuld daran war wieder einmal Alkimus, dem „nicht verborgen blieb, dass die beiden einander wohlgesinnt waren“, was so gar nicht dem entsprach, was er eigentlich mit König Demetrius ausgemacht hatte. Also beschwerte er sich beim Herrscher und warf Nikanor vor, „dem Staatswohl zuwider“ zu handeln, da er Judas nicht verhaftete, sondern mit ihm Heiratsvorschläge austauschte. Demetrius forderte Nikanor darum in einem Brief ultimativ auf, „den Makkabäer auf der Stelle gefesselt nach Antiochia zu bringen.“ Hin- und hergerissen zwischen Freundschaft und Pflichterfüllung entschied der Feldherr sich für letztere und versuchte Judas in eine Falle zu locken. Doch der Makkabäer bemerkte die Veränderung im Verhalten des Feldherrn und versteckte sich vor ihm.

Daraufhin eilte Nikanor in den Tempel und verlangte, dass die Priester ihm das Versteck von Judas nennen, das sie aber nicht kannten. Er drohte daraufhin, er werde „dieses Gotteshaus dem Erdboden gleichmachen, den Altar niederreißen und an seiner Stelle dem Dionysos einen herrlichen Tempel errichten.“  Offenbar war sein Kalkül, dass er nur genug Angst verbreiten muss, damit ihm jemand das Versteck des Judas verrät oder dieser sich selbst stellt. Im Rahmen dieses Vorgehens wollte er auch einen alten Mann mit Namen Rasi verhaften, der aufgrund seiner Güte „Vater der Juden“ genannt wurde. Der Feldherr hatte beschlossen, diese Verhaftung auch zu einer Machtdemonstration zu machen, weswegen er nicht weniger als 500 Soldaten antreten ließ, um den alten Mann abzuführen.

Ein Selbstmord mit Slapstick-Elementen

Dieser lebte in einem Turm und sah die Soldaten kommen und hörte, wie sie die Türe einschlugen. Rasi beschloss, auf keinen Fall lebend in die Hände dieser „Verruchten“ zu geraten, weswegen er sich in seinem fortgeschrittenen Alter in ein Schwert stürzte. „In der Hast aber hatte er sich nicht sofort tödlich getroffen, die Männer stürmten bereits durch die Türen herein“, weswegen er sich zum Fenster schleppte und in die Tiefe stürzte. Er fiel und schlug auf und war immer noch nicht Tod. Der alte Mann, in dessen Körper mit großer Wahrscheinlichkeit noch ein Schwert steckte und der einige Knochenbrüche erlitten haben dürfte, erhob sich mühsam und schleppte er sich auf einen „steil abfallenden Felsen“. Dort stürzte er sich nicht erneut in die Tiefe, sondern „riss sich die Eingeweide aus dem Leib“ und warf diese hinab. Mit seinen letzten Atemzügen bat er daraufhin Gott, „er möge sie ihm wiedergeben“, bevor er endlich seine hart verdiente und ewige Ruhe fand.

Nachdem diese Verhaftung auf ebenso blutige wie verstörende Art gescheitert war, bekam Nikanor endlich einen Hinweis darauf, dass sich Judas „in der Gegend von Samaria“ aufhält. Weil er an einem Sabbat ankam und sofort angreifen wollte, baten ihn die Juden, „die gezwungen waren, ihn zu begleiten“, den Sabbat abzuwarten, denn: „Der lebendige Herr selbst, der Herrscher im Himmel, hat angeordnet, den siebten Tag einzuhalten.“ Den Feldherren beeindruckte das nicht, weswegen er verkündete: „Und ich bin der Herrscher auf der Erde, ich befehle, die Waffen zu ergreifen und zu tun, was das Staatswohl verlangt.“ Dabei war er nur der Befehlsempfänger eines Königs und damit doch recht weit davon entfernt, „Herrscher auf der Erde“ zu sein. Es sollte sich sogar herausstellen, dass er nicht mal „Herrscher“ genug über die Juden war, die ihn begleiten mussten, denn sie weigerten sich nun schlichtweg, am Sabbat irgendwelche Manöver auszuführen, weswegen der Zugriff an diesem Tag ausfiel.

Aber Judas spürte selbst, dass es Zeit war, eine Entscheidung herbeizuführen. Darum standen sich bald darauf seine Makkabäer und eine mit Elefanten verstärkte Streitmacht des Nikanor gegenüber. Doch auch die Dickhäuter konnten den beeindruckenden Sieg der Makkabäer nicht verhindern, die 35.000 Feinde erschlugen. General Nikanor hatte diese Niederlage maßgeblich mit eingeleitet, da er als erster Mann an diesem Tag fiel, was der Moral der eigenen Truppen nicht gutgetan hatte. Sein Kopf und ein Arm wurden nach Jerusalem gebracht, wo Judas den Einwohnern den Kopf des Feindes präsentierte, dem er danach die Zunge herausschnitt, zerstückelte und an die Vögel verfütterte, während er den Arm „gegenüber dem Tempel aufhängen ließ, als Zeichen des bestraften Wahnsinns.“ Zuletzt fand auch der Kopf seinen endgültigen Bestimmungsort, und zwar an der Mauer der Jerusalemer Burg „als ein für alle sichtbares und offenkundiges Zeichen für die Hilfe des Herrn.“  Damit hatte Judas nicht nur einen Feind, sondern auch kurzzeitigen Freund in mehrere Teile zerstückelt über das Land verteilt, ohne dass ihn diese enorme Wendung dieser einstigen Freundschaft groß zugesetzt zu haben schien.

(Fortsetzung folgt…)