Seinem unheimlichen Talent, Menschen falsch einzuschätzen, blieb König Artaxerxes jedenfalls treu. Während er damit bislang nur sein eigenes Leben gefährdet hatte, da er Leuten vertraute, die ihn ermorden wollten, gefährdete seine Leichtgläubigkeit jetzt das Überleben des jüdischen Volkes. Der König ernannte Haman zur zweitmächtigsten Person im Reich und sollte mit dieser Wahl, so viel sei schon mal verraten, wieder einmal vollkommen daneben liegen. Nur noch Artaxerxes selbst stand über diesem neuen starken Mann, der seine Rolle und die damit einhergehenden Huldigungen der Diener am Palast sichtlich genoss. Nur einer weigerte sich, bei diesen Verehrungen mitzumachen: Mordechai. Er begründete es damit, dass er als Jude nur seinen Gott anbeten würde, aber sicherlich keinen Menschen.

Damit hielt er sich selbst nicht an den Ratschlag, den er Ester gegeben hatte, die vor dem König bloß nicht ihre Herkunft erwähnen sollte. Er tat es mittlerweile jedenfalls sehr offen und so kam es, wie es kommen musste, und Haman bemerkte diesen einen Diener, der sich an den Huldigungen nicht beteiligte. Der zweite Mann im Staat wurde daraufhin „sehr zornig“, was in seinem Fall einen monströsen Charakter offenbarte, denn in seinem Zorn nahm er sich vor, nicht einfach nur Mordechai zu töten, sondern gleich alle Jude.

Ein „besonnener Mann“, der wegen einer persönlichen Kränkung ein ganzes Volk ausrotten will

Diese völlig entgrenzte Wut sollte man in Erinnerung behalten, wenn man sich anschaut, wie Artaxerxes über Haman dachte. Er lobte vor allem dessen Besonnenheit und seine „unwandelbare edle Gesinnung“, womit er sich vermutlich so weit von einer zutreffenden Charakterbeschreibung entfernt hatte, wie nur irgend möglich. Noch erstaunlicher ist es, dass sich diese sehr freundlichen Worte ausgerechnet in einem Schreiben finden ließen, das der König auf Hamans Wunsch hin anfertigte, und das letztlich nichts anderes als ein Vernichtungsbefehl war.

Der „besonnene und edle“ Hamans hatte nämlich keine Ruhe gegeben, bis er den König von der Notwendigkeit überzeugt hatte, alle Juden in seinem Reich zu töten. Als Vorwand redete er ihm ein, dass sich dieses Volk absondern würden und seinen eigenen Regeln folgen würde. „Es ist nicht richtig, dass der König ihnen das durchgehen lässt“, erklärte Haman und schlug unvermittelt seine fanatische Idee vor: „Wenn der König einverstanden ist, soll ein schriftlicher Erlass herausgegeben werden, sie auszurotten.“

Der leicht zu beeinflussende Artaxerxes nickte dem geplanten Völkermord ab und ließ diese Nachricht durch Boten bis in die entlegensten Winkel des Königreichs tragen. Damit schien Haman seine Rache an Mordechai zu bekommen. Doch weil Artaxerxes sich nicht nur in Haman, sondern auch in seiner Gattin geirrt hatte, die relevante Geheimnisse mit in die Ehe gebracht hatte, war das Schicksal der Juden doch noch nicht endgültig besiegelt. Ein Schicksal, das sogar schon mit einem genauen Tag angekündigt wurde, an dem „alle Juden, vom Knaben bis zum Greis, kleine Kinder und Frauen“ getötet werden, damit „diese sehr feindseligen Menschen an einem einzigen Tag eines gewaltsamen Todes sterben und in die Unterwelt hinabfahren.“ Und all das nur, weil Haman sich von einem einzelnen Juden gekränkt fühlte. Reicht Esters Einfluss auf ihren Gatten und König aus, damit dieser Plan Hamans doch noch verworfen wird?

(Fortsetzung folgt…)