Die Vorbereitungen für Gottes Plan liefen an und er selbst tat alles, um seine Ausführung unnötig kompliziert zu machen. Die Juden sollten ihre Türen mit dem Blut eines Lamms markieren, damit er die Erstgeborenen dahinter verschont. Es durfte sich aber nicht um das Blut irgendeines Lamms handeln, sondern es musste sich schon um ein gesundes, männliches und einjähriges Exemplar handeln. Das machte die Vorbereitungen für alle beschwerlicher, ohne dass sich der Sinn dieser Einschränkung erschloss. Doch damit nicht genug. Gott hatte auch genaue Vorstellungen, was mit dem geschlachteten Lamm passieren soll. Sein Fleisch müsse noch in derselben Nacht gegessen werden, und zwar mit ungesäuertem Brot und mit Bitterkräutern. Auf keinen Fall dürfe man es roh zu sich nehmen oder im Wasser kochen. Es müsse außerdem über dem gleichen Feuer braten, in dem auch die Reste verbrannt werden, wenn etwas übrig bleibt. Außerdem sollten alle Juden abreisebereit sein, während sie essen. Völlig unklar blieb dabei, wer in dieser Nacht, in der Gott mordend durch die Straßen ging, überhaupt Appetit haben sollte?

Und dann ging es los: „Es war Mitternacht, als der HERR alle Erstgeburt im Land Ägypten erschlug, vom Erstgeborenen des Pharao, der auf dem Thron saß, bis zum Erstgeborenen des Gefangenen im Kerker und alle Erstgeburt beim Vieh.“ Entsetzt darüber, ließ der Pharao Moses und Aaron rufen, um ihnen zu erklären, dass die Juden das Land sofort verlassen müssen. Nachdem sie so lange darum gekämpft hatten, gehen zu dürfen, wurden sie dazu nun sogar aufgefordert. Insgesamt hatten die Juden 430 Jahre in Ägypten gelebt, in der „Josefs-Zeit“ sogar ziemlich gut, doch später immer schlechter, bevor sie schließlich zu Sklaven wurden.

Gab es denn keine Gräber in Ägypten?

Es muss ein beeindruckender Marsch gewesen sein, der sich da in Bewegung setzte. Am Tage ging ihm Gott „in einer Wolkensäule“ voraus und in der Nacht als „Feuersäule.“ So erreichten die Israeliten schließlich das Rote Meer und kamen nicht weiter. Was nicht so schlimm gewesen wäre, wenn der ewig wankelmütige Pharao in der Zwischenzeit nicht erneut seine Meinung geändert und mit einer Armee von sechshundert Streitwagen die Verfolgung aufgenommen hätte. Gefangen zwischen den Fluten des Meeres und feindlichen Soldaten, die gerade allesamt ihre Erstgeborenen verloren hatten, geriet das Volk in Zweifel. Voller Sarkasmus wurde Moses gefragt: „Gab es denn keine Gräber in Ägypten, dass du uns zum Sterben in die Wüste holst?“ Andere erinnerten ihn daran: „Haben wir dir in Ägypten nicht gleich gesagt: Lass uns in Ruhe!“ Doch Moses, der nun wirklich kein guter Redner war, wuchs an dieser Stelle über sich hinaus und rief: „Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen und seht zu, wie der HERR Euch rettet!“ und schob noch effektvoll nach: „Wie ihr die Ägypter heute seht, so seht ihr sie niemals wieder!“ Damit sollte er Recht behalten. Gott gab Moses die Macht, das Rote Meer zu teilen, woraufhin die Juden über den trockenen Grund hinweg die andere Uferseite erreichten.

Die Ägypter aber, die hinter ihnen hereilten, gingen in den Fluten unter, als Moses die Teilung des Meeres beendete. Zu den unbesungenen Tragödien der Bibel gehört somit, dass viele ägyptische Familien an nur einem Tag sowohl ihren Erstgeborenen verloren als auch ihr Oberhaupt, das nun leblos im Meer trieb. Das jüdische Volk hingegen war erleichtert und von der Art und Weise seiner Rettung verständlicherweise beeindruckt: „Sie glaubten an den HERRN und an Moses, seinen Knecht.“

Moses wurde fast gesteinigt

Doch die Stimmung verschlechterte sich bald wieder. Wenn das Volk in der Wüste nur „bitteres Wasser“ fand, das es nicht trinken konnte, beschwerte es sich bei Moses, der wiederum Gott um eine Lösung bat, der sich tatsächlich alle Mühe gab, für Abhilfe zu sorgen. Im Falle des „bitteren Wassers“ ließ er ein Stück Holz hineinwerfen, woraufhin es süß wurde. Zu anderen Gelegenheiten ließ er Wasser aus Felsen sprudeln oder Brot vom Himmel regnen. Trotzdem kam es immer wieder zu bösartigen Vorwürfen gegen Moses und seinen Bruder Aaron. Wenn die Leute Hunger hatten, konnten sich die Brüder auch schon mal anhören: „Ihr habt uns nur deshalb in diese Wüste geführt, um alle, die hier versammelt sind, an Hunger sterben zu lassen.“ Gleichzeitig setzte eine Verklärung Ägyptens ein, wo man angeblich immer etwas zu essen hatte. So schob sich das jüdische Volk meckernd durch die Wüste und einem Land entgegen, das alle nur aus Erzählungen kannten.

In Bezug auf Moses, der auf dieser Reise oft schroff angegangen wurde und mindestens einmal ernsthaft befürchten musste, von seinen eigenen Leute gesteinigt zu werden, darf man sein hohes Alter nicht vergessen. Er war achtzig Jahre alt und längst nicht mehr der starke Jüngling, der einst einen ägyptischen Soldaten erschlagen konnte. Er hatte mittlerweile sogar Schwierigkeiten, seine Arme zu heben. Als die Juden eines Tages von einer feindlichen Armee angegriffen wurden (keine Ägypter), sollte Moses von einem Hügel aus die Schlacht begleiten und den eigenen Kriegern mit erhobenen Armen Mut machen. Doch er war zu schwach dafür und es drohte eine Niederlage. Also griffen sich kurzerhand zwei Begleiter seine Arme und hielten sie für Moses in die Höhe, während er erschöpft auf einem Felsbrocken saß. Niemand hätte sich bei diesem Anblick vorstellen können, dass dieser Mann seinen ganz großen Auftritt noch vor sich hatte. Auf einem Berg. Genaugenommen auf dem, an dessen Fuß das Volk nun rastete.

(Fortsetzung folgt…)