Die Babylonische Gefangenschaft ging auf andere Weise zu Ende als die Zeit in Ägypten. Es kam kein neuer Moses und auch sonst kein israelitischer Held. Das Volk zog darum auch nicht in einer dramatischen Parade aus dem Land aus, um sich erneut in Richtung Kanaan auf den Weg zu machen. Nein, diesmal war alles viel leichter: Der persische König Kyrus bot den Israeliten an, heimzukehren und ihren Tempel wieder aufzubauen.
Gott selbst hatte ihn davon überzeugt, wie Kyrus verkündete: „Er hat mir aufgetragen, ihm in Jerusalem, in Juda ein Haus zu bauen.“ Letztlich baute er es aber nicht selbst, sondern eine Abordnung der Israeliten, wobei sie in ihrer alten Heimat in Konflikte mit den nun dort lebenden Völker gerieten. Trotzdem legten sie das Fundament, was ein emotionaler Moment gewesen sein muss, da einige der ältesten Rückkehrer als junge Menschen noch den ersten Tempel gekannt hatten. Danach ging es aber zunächst nicht weiter. Es kam zu Übergriffen durch die andere Völker, die auch Schmiergelder an die Arbeiter zahlten, um damit den Tempelbau zu verzögern.
Sie entdeckten auch die Kraft des geschriebenen Wortes für sich und verschickten zahlreiche Briefe an wichtige Persönlichkeiten Persiens. Auch der König erhielt einen und da der Israel-freundliche Kyrus mittlerweile verstorben war, kam dieses Schreiben bei seinem Nachfolger Xerxes an. Der Brief war eine bösartige Mischung aus Lügen und Schmeichelei und nutzte schamlos die Paranoia des Monarchen aus. Kurzum: Er war ein gelungenes Stück Propaganda und verfehlte sein Ziel nicht.
Speere zu Schreibfedern, Streitwagen zu Briefumschlägen
Der Brief enthielt Warnungen wie: „Wenn diese Stadt wieder aufgebaut ist und ihre Mauern vollendet sind, dann entrichten die Juden keine Steuern, Abgaben und Zölle mehr“ und Verweise auf die Vergangenheit Jerusalems: „Man möge in der Chronik deiner Väter nachforschen; du wirst dann in den Chroniken finden und feststellen: Diese Stadt ist eine aufrührerische Stadt. (…) Deswegen ist diese Stadt ja auch zerstört worden.“ Durch den ganzen Brief zieht sich eine falsche Unterwürfigkeit, die sich als Sorge um den Herrscher verkleidet, denn „es ist nicht recht, wenn wir mit ansehen, wie der König erniedrigt wird.“
Letztlich sollte dieses Schreiben die Israeliten schwerer treffen als alle direkten Versuche, den Bau des zweiten Tempels zu verzögern, denn die Antwort aus dem fernen Persien hatte es in sich. Xerxes habe, erklärte er, tatsächlich in den Chroniken geforscht und festgestellt, dass sich Jerusalem „von jeher gegen die Könige erhoben“ habe. Weswegen er zum Entschluss kam: „Diese Stadt darf nicht wieder aufgebaut werden, bis weitere Anordnungen von mir ergehen.“
Mit dieser Vollmacht ausgestattet, gingen die Gegner der Israeliten zur Baustelle des Tempels und verhinderten, dass an dieser weitergearbeitet wird. Erst als Xerxes gestorben war, entschieden die Israeliten, dass sie mit dem Bau weitermachen. Ihre Gegner erinnerten sie an das Verbot durch König Xerxes und die Israeliten an die Erlaubnis durch Kyrus. So hatten beide Seiten jeweils einen toten König auf ihrer Seite. Erneut ging nun ein Schreiben der Gegner nach Persien, adressiert an den neuen Herrscher Darius.
Sie baten um Klarheit in dieser Sache und wollte vor allem wissen, ob es überhaupt einen schriftlichen Beleg dafür gibt, dass Kyrus die Juden unterstützt habe. „Seinen Entscheid in der Sache sende dann der König uns zu“, schloss der Brief. Damit hatten die Feinde der Israeliten hoch gepokert und alles verloren, denn es fand sich tatsächlich eine Urkunde des Kyrus, die keinen Zweifel an seiner Unterstützung des Tempelbaus ließ. Darum fiel die Antwort des Königs eindeutig aus: „Haltet euch aus der Sache dort heraus“, entschied er und damit hatten die Juden nicht nur Ruhe, sondern plötzlich unerwartete Helfer.
Statt 340.000 Opfertieren, nur noch 612
Darius schien nämlich viel daran zu liegen, die Anweisungen seines Vorvorgängers zu erfüllen, und so befahl er in diesem Brief auch, dass die Juden beim Wiederaufbau unterstützt werden müssen. Während also der erste Brief ein voller Erfolg für die Gegner des Tempels war, geriet der zweite zum Eigentor, durch den die Gegner der Juden selbst an der Fertigstellung dieses Bauwerks mitwirken musste. Darius jedenfalls meinte es ernst, denn er schloss mit der grimmigen Warnung: „Jedem, der diesen Erlass missachtet, reiße man einen Balken aus seinem Haus und pfähle ihn darauf und sein Haus soll dafür zu einem Trümmerfeld gemacht werden.“
Vermutlich wird sich so mancher Jude beim Lesen dieser Antwort geärgert haben, warum man nicht viel früher auf die beurkundete Unterstützung von Kyrus hingewiesen hatte. Kein Wunder jedenfalls, dass nach dieser Rückendeckung aus Persien die Fertigstellung nicht mehr lange dauerte und schon bald die Einweihung gefeiert werden konnte. Dass die Zeiten sich aber geändert hatten, wurde jedoch bei diesem Fest überdeutlich.
Als der Tempel zum ersten Mal gebaut wurde, kam es zur Opferung von 220.000 Rindern und 120.000 Schafen. Dieses Mal konnte man nur 100 Stiere, 200 Wieder und 400 Lämmer aufbieten, außerdem zwölf Ziegenböcke. Aber immerhin, der Tempel stand wieder. Nun fehlte eigentlich nur noch, dass auch das jüdische Leben nach Jerusalem zurückkehrte. Das sollte noch länger dauern und sich als unerwartet kompliziert erweisen.