Manchmal ist es mit der eigenen Verwandtschaft so eine Sache. Während Ahas als König über Juda noch Altäre fremder Götter aufstellen ließ, hieß es über seinen Sohn Hiskija: „Unter allen Königen Judas, die nach ihm kamen oder vor ihm lebten, war keiner wie er. Er hing dem HERRN an, ohne von ihm abzuweichen.“ Das hieß in der Praxis vor allem, dass er Schluss machte mit der Anbetung fremder Götter und Götzen. Er zerstörte Steinmale und Kultpfahl und verlangte die Einhaltung der Gebote Gottes.
Als nun der König von Assur, der schon das Königreich Israel zerstört hatte, vor Jerusalem auftauchte, zahlte sich das Gottvertrauen Hiskijas aus, denn der HERR „erschlug im Lager der Assyrer hundertfünfundachtzigtausend Mann“ und damit im Wesentlichen die komplette Armee. So blieb Jerusalem unabhängig und damit auch das verbliebene Königreich Juda. Aber obwohl Hiskija aus diesem Land eine Hochburg der Frommen und des Glaubens machte, wollte sich dauerhafte Stabilität nicht einstellen.
Zwischendurch wäre er dann auch noch fast an einer schweren Krankheit gestorben, bevor Gott ihn heilte. Kaum genesen, zeigte er Abgesandten des Königreichs Babel die Schätze Jerusalems, was seine Berater für einen großen Fehler hielten, der nur die Gier mächtigerer Reiche wecken würde. Hiskija aber blieb unbekümmert und tatsächlich sollten keine Armee aus Babel Jerusalem belagern. Zumindest nicht mehr zu seinen Lebzeiten, in denen sein größtes Verdienst darin bestand, energisch das Verbot anderer Gottheiten betrieben zu haben.
Plötzlich herrscht der Pharao wieder über die Israeliten
Ein Verdienst, das sein Sohn Manasse aber schnell entwertete, nachdem er ihn beerbte und mit dem gleichen Eifer all das wieder aufbauen ließ, was sein Vater zuvor zerstört hatte. Er „errichtete Altäre für den Baal, ließ einen Kultpfahl anfertigen“ und „warf sich vor dem ganzen Heer des Himmels nieder“. Außerdem trieb er „Zauberei und Wahrsagerei“ und auch sonst noch einiges, was wenig überraschend einen geradezu konsternierten HERRN zur Folge hatte. Während der Regentschaft von Manasses Vater Hiskija konnte Gott immerhin noch hoffen, dass wenigstens der judäische Teil seines Volkes zur Vernunft kommt und sich an den Bund erinnert.
Eine Hoffnung, die er nun begraben musste. Während Altäre anderer Götter in seinem Tempel aufgebaut wurden, verkündete er darum tief gekränkt: „Den Rest meines Erbbesitzes will ich preisgeben und den Feinden ausliefern. So wird mein Volk ein Raub und eine Beute all seiner Feinde werden.“ In Bezug auf sein Volk schiebt er noch nach: „Es hat getan, was mir missfällt und mich erzürnt seit dem Tag, da seine Väter aus Ägypten zogen, bis zum heutigen Tag.“ Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist das tatsächlich eine sehr akkurate Zusammenfassung der Bundestreue seines Volkes und dessen Königen.
Manasse starb und sein Sohn Amon bestieg den Thron, „verließ den HERRN, den Gott seiner Väter, und hielt sich nicht an die Wege des HERRN.“ Seine eigenen Diener hielten sich ebenfalls nicht an die Regeln und töteten ihn, wurden danach aber selbst von einem Mob erschlagen, woraufhin der Sohn des getöteten Königs die Macht übernahm. Die Gewaltbereitschaft, die Instabilität und der Götzendienst erinnerten mittlerweile sehr an die Endphase des Königreichs Israel und dass nun der achtjährige Joschijas regierte, dürfte auch niemanden beruhigt haben. Doch zur allgemeinen Überraschung wurde er nicht nur nicht ermordet, sondern regierte einunddreißig Jahre und brachte die Hoffnung zurück, dem Schicksal Israels zu entgehen, denn: „Er tat, was dem HERRN gefiel“ und das war das Beste, was man damals als judäischer König tun konnte.
Erneut folgte die landesweite Entfernung der Tempel und Kultorte aller anderen Götter und die Rückkehr zum Glauben an den eigenen Gott der Israeliten. Joschija ging sogar noch resoluter vor als sein Urgroßvater Hiskija und ließ die Priester anderer Religionen hinrichten und führte eine religiöse Tradition wieder ein, die ohnehin seit der Nacht des Aufbruchs aus Ägypten einen festen Platz im jährlichen Terminkalender religiöser Feste haben sollte: das Pessachfest in Erinnerung an die Rettung aus Ägypten. „Ein solches Pessach war nämlich nicht gefeiert worden seit den Tagen der Richter, die Israel regierten, auch nicht in der ganzen Zeit der Könige von Israel und Juda.“
Was bedeutet, dass nicht mal David oder Salomo diese Tradition fortgeführt hatten und auch nicht Hiskija. Darum heißt es über Joschija: „Es gab vor ihm keinen König, der so mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele umkehrte und so getreu die Weisung des Mose befolgte, und auch nach ihm war keiner wie er.“ Das sind große Worte, wobei sie ein wenig dadurch entwertet werden, dass über seinen Großvater Hiskija einst ein fast identisches Lob ausgesprochen wurde: „Unter allen Königen Judas, die nach ihm kamen oder vor ihm lebten, war keiner wie er. Er hing dem HERRN an, ohne von ihm abzuweichen.“
Sein ganzer Glaubenseifer bewahrte Joschija aber nicht davor, in einer Schlacht gegen die Ägypter vom Pharao getötet zu werden. Daraufhin übernahm sein Sohn Joahas, der wieder tat, was böse war in den Augen des HERRN, dafür aber ohnehin nur drei Monate Zeit hatte, bevor ihn der Pharao als Gefangenen nach Ägypten mitnahm, wo er schließlich starb. Nun war das Königreich Juda deutlich in Auflösung begriffen und Jojakim, der Sohn des getöteten Joaha, regierte schon nur noch als Marionette des Pharaos. Auf gewisse Weise schloss sich damit ein Kreis, denn die Israeliten waren zwar aus Ägypten geflohen, doch nun war Ägypten so sehr expandiert, dass es schlicht auch das gelobte Land umfasste und dadurch die Israeliten wieder unter die Herrschaft ihrer einstigen Sklavenhalter fielen.
Aufständige, denen es nicht an Mut fehlt, dafür aber an taktischem Geschick
Jojakim konnte nicht viel machen, aber das bisschen, was er machen konnte, war „böse“ in den Augen des HERRN. Auf den ägyptischen Pharao folgte bald der noch mächtigere König von Babel, dem der machtlose Herrscher über Juda tributpflichtig wurde, bevor er sich in einem ebenso mutigen wie fatalen Schritt entschloss, die Unabhängigkeit zu verkünden, und dann erleben musste, dass sein Land daraufhin von gleich vier Völkern verwüstet wurde. Nachdem er das Königreich in diese noch ungünstigere Lage manövriert hatte, starb er und sein Sohn Jojachin bestieg den Thron. Er war der letzte König, dem noch mit viel guten Willen unterstellt werden konnte, die Geschicke Judas aktiv mitzugestalten. Wenn auch nur für drei Monate, bevor der König von Babel, der zwischenzeitlich den Pharao vernichtend geschlagen hatte, vor Jerusalem auftauchte. Er hieß Nebukadnezzar und nahm die Stadt nach kurzer Belagerung ein.
„Von ganz Jerusalem verschleppte er alle Vornehmen und alle wehrfähigen Männer, insgesamt zehntausend Mann, auch alle Schmiede und Schlosser“, ebenso den König, „die königlichen Frauen und Kämmerer sowie die einflussreichen Männer des Landes.“ Insgesamt wurden so viele mitgenommen, dass es hieß: „Von den Bürgern des Landes blieben nur die geringen Leute zurück.“ Für alle anderen ging es als Gefangener nach Babylon, wo die „babylonische Gefangenschaft“ auf sie wartete. Da es Juda weiter als Königreich gab, setzte Nebukadnezzar dort den Neffen des verschleppten Herrschers als Statthalter ein, der Mattanja hieß.
Ebenso wie bei Jojakim vor ihm, trafen in seinem Charakter Tapferkeit, Risikofreude und fehlendes taktisches Geschick zusammen, weswegen auch er gegen die Fremdherrschaft aufbegehrte. Als König, der „böse war in den Augen des HERRN“, hatte er dabei keine göttliche Unterstützung und so belagerte Nebukadnezzar Jerusalem und ließ es aushungern. Nachdem ein Fluchtversuch von König Mattanja scheiterte, kam er in Gefangenschaft, wo er noch die Hinrichtung seiner Söhne mitansehen musste, bevor er geblendet wurde und sich ebenfalls in Babel wiederfand.
König Nebukadnezzar ließ als Strafe für den Aufstand Jerusalem niederbrennen und den Tempel Gottes zerstörten. Es kam zur Hinrichtung einiger führender Israeliten, während die restliche Bevölkerung der Stadt nun ebenfalls in die babylonische Gefangenschaft geführt wurde. „Nur von den armen Leuten im Land ließ der Befehlshaber der Leibwache einen Teil als Wein- und Ackerbauern zurück.“ Die Ruine des zerstörten Tempels steht somit beispielhaft dafür, dass sich der Wunsch des HERRN nicht erfüllt hatte, mit seinem auserwählten Volk im gelobten Land zu leben. Sein Gotteshaus brannte, während die Israeliten einer ungewissen Zukunft als Gefangene und Sklaven entgegensahen. Hatte sich damit Gottes Interesse an den Israeliten erledigt, die kaum eine Gelegenheit ausgelassen hatten, die Regeln und Gebote des HERRN zu brechen? Erstaunlicherweise nicht.
(Fortsetzung folgt…)