In einem atemberaubenden Tempo brach das scheinbar so stabil und mächtig gewordene Israel zusammen. Es folgte eine lange Reihe von Bürgerkriegen, bürgerkriegsähnlichen Zuständen, Königen, Gegenkönigen und einem dauerhaften Kriegszustand. Unfähige Herrscher folgten auf niederträchtige und einfältige auf die niederträchtigen. Auch brach das Land wieder in zwei Machtblöcke auseinander, in das Königreich Israel und das Königreich Juda.

Mit Salomos Sohn und Nachfolger Rehabeam nahm die tragische Reihe schlechter Herrscher ihren Anfang. Das Volk bat darum, dass er einige Steuern und Abgaben abschafft, unter denen sie leiden würden, wobei sie von einem „harten Joch“ sprachen. Rehabeams ältere Berater drängten ihn, durch Erleichterungen das Wohlwollen des Volkes zu gewinnen, aber Rehabeam entschied sich für einen anderen Weg.

Er verkündete öffentlich: „Hat mein Vater euch ein schweres Joch aufgebürdet, so werde ich es noch schwerer machen.“ Ja, so macht man sich vor allem keine Freunde. Auch nicht durch den Nachschub: „Mein Vater hat euch mit Peitschen gezüchtigt, ich werde euch mit Skorpionen züchtigen.“ Dass diese Ankündigung in Wahrheit schon seine Abschiedsworte als König waren, wusste er in diesem Moment noch nicht, könnte er aber geahnt haben, als er kurz darauf nur knapp einem Mob entkam. Ein enger Vertrauter von ihm hatte weniger Glück und wurde gesteinigt. Rehabeam rettete sich nach Jerusalem und war seitdem nur noch König über Juda. Der weitaus größere Teil des Landes, das Königreich Israel, ging an seinen Rivalen Jerobeam. Dem allerdings das Kunststück gelang, ein noch schlechterer Herrscher zu sein.

Ein Bürgerkrieg zwischen beiden Seiten konnte immerhin knapp verhindert werden, weil alle einsahen, dass das keine Lösung sein kann. Stattdessen bot der wackelige Frieden beiden Monarchen ausreichend Gelegenheit, Gott gegen sich aufzubringen und somit gleich ihre ganze Familie zugrunde zu richten. Jerobeam kam auf die Idee, zwei Goldene Kälber aufzustellen, zu denen seine Untertanen beten sollten. Er stellte sie dem Volk darum mit der erstaunlichen Behauptung vor: „Hier sind deine Götter Israel, die dich aus Ägypten herausgeführt haben.“ Womit in seinen Augen zwei goldene Rinder den Auszug der Israeliten angeführt hatten und nicht Moses und Josua.

Der Tempel Jerusalems sieht nach der Plünderung so trostlos aus wie die Stadt Jerusalem

Gott ließ einen der Altäre „zerbersten“, an denen dieser Abfall vom Glauben praktiziert (und Geschichtsfälschung betrieben) wurde und rettete auch den Sohn des Monarchen nicht, als dieser krank wurde und schließlich starb. Wie zornig Gott war, merkt man auch an der etwas derben Art seiner Drohung: „Ich entferne das Haus Jerobeam, wie man Kot entfernt, bis nichts mehr vorhanden ist.“

Auch wenn unklar ist, wie vertraut Gott persönlich eigentlich mit Verdauungsprozessen ist, klang diese Warnung zwar ein wenig irritierend, aber dadurch nicht weniger gefährlich. Wobei erwähnt werden muss, dass der rivalisierende König Rehabeam nicht nur einen ähnlichen Namen wie Jerobeam trug, sondern ebenfalls auf die wahnsinnige Idee kam, fremde Religionen und Götzendienst zu fördern. Außerdem blieb der Zusammenbruch Israels nach dem Tode von Salomon nicht unbemerkt und so nutzte Ägypten die Gelegenheit, in Jerusalem einzumarschieren, die prachtvollen Schätze aus dem Tempel und dem Palast zu stehlen und mit üppiger Kriegsbeute wieder abzuziehen.

Ohne seine Schätze hatte nun auch der Tempel den trostlosen Zustand erreicht, in dem sich der ihn umgebende Staat ohnehin schon befand. Gleichzeitig kann der Raub der Schätze auch als eine Art historische Retourkutsche verstanden werden, schließlich hatten fast ein halbes Jahrtausend zuvor die Israeliten beim Auszug aus Ägypten ebenfalls Gold, Silber und Schmuck ihrer ägyptischen Nachbarn mitgenommen. Nachdem Rehabeam gestorben war, übernahm sein Sohn Abija die Königswürde, der Gott ebenfalls wegen fehlendem Glaubenseifer erzürnte. Wobei immerhin dessen Sohn versuchte, gegenzusteuern und die meisten Götzenbilder entfernen ließ. Zugleich war er sein Leben lang jedoch in Kleinkriege mit dem anderen israelitischen Königreich verstrickt, weswegen seine Amtszeit nicht viel mehr als eine kurze Atempause auf dem Weg nach unten darstellte.

Schon ganz unten angekommen war zu jener Zeit die Familie von Jerobeam. Nach dessen Tod übernahm sein Sohn die Macht, „tat, was böse war in den Augen des HERRN“ und wurde schließlich Opfer eines Putsches, der Bascha an die Spitze brachte, der ebenfalls tat „was böse war in den Augen des HERRN“, wozu aber ausdrücklich nicht gehörte, dass er die gesamte Familie Jerobeam ermorden ließ. Weil Bascha ebenfalls nichts gegen den Götzendienst im Land unternahm und sich darum nicht wesentlich von seinen Vorgängern unterschied, kündigte Gott ihm und seiner Familie das gleiche Schicksal an.

Tatsächlich übergab Bascha die Macht noch an seinen Sohn, bevor dieser nach kurzer Zeit erschlagen wurde und der neue König Simir die Familie Baschas ausrottete. Den Namen des neuen Königs Simir dürften die meisten Menschen noch gar nicht gehört haben, bevor auch er schon wieder Geschichte war, da die Armee fand, dass ihr mächtiger Befehlshaber Omri der bessere König wäre. Omris Machtanspruch kam dabei sicherlich entgegen, dass Simir auf diese Neuigkeit ziemlich schlecht reagierte und in einem melodramatischen Selbstmordexzess gleich seinen ganzen Palast anzündete.

Omri tat nicht nur, „was böse war in den Augen des HERRN“, sondern „trieb es noch schlimmer als alle seine Vorgänger.“ Unter seiner Regentschaft gab es also ebenfalls Götzendienste und andere Götter zuhauf. Auch sein Sohn Ahab „tat, was böse war in den Augen des HERRN“ und übertraf darin sogar noch seinen Vater, der es schon „schlimmer als alle seine Vorgänger“ getrieben hatte.

Tatsächlich baute er Baal einen eigenen Tempel und betete ihn an. Von einem Land, das dem einen Gott dient, war dieses Israel, in dem es Tempel und Kultpfähle für alle möglichen Götter gab, tatsächlich weiter entfernt als je zuvor. Dass unter Ahab die Propheten Gottes verfolgt und ermordet wurden, entspannte die Situation auch nicht unbedingt. Gott ließ es darum auf eine Machtprobe ankommen, für die er einen Propheten mit Namen Elia aufbot. Auf dem Berg Karmel sollten nun die Mächte des HERRN mit denen des Baal gemessen werden, der mittlerweile die deutlich populärere Gottheit war.

Elia fordert die Propheten des Baal heraus, gewinnt diesen Kampf und lässt sie alle töten

Prophet Elia forderte das Volk auf: „Wie lange noch schwankt ihr nach zwei Seiten? Wenn der HERR der wahre Gott ist, dann folgt ihm! Wenn aber Ball es ist, dann folgt diesem.“ Entscheiden sollte sich diese Frage daran, welcher Gott in der Lage ist, ein dargebrachtes Opfer auf dem Altar zu entzünden. Als Erstes opferten die Propheten des Baal – übrigens gab es 450 von ihnen, während Elia der einzige Prophet des HERRN war, was zeigt, wie sehr der wahre Glaube in die Defensive gedrängt war – einen Stier und legten ihn auf dem Altar auf das Brennholz. Dann fingen sie an zu beten, dass Baal ihr Opfer doch bitte durch das Entzünden des Feuers würdigen möge. Sie beteten einen ganzen Morgen, einen Mittag und Abend, sie verletzten sich selbst mit Schwertern und Lanzen und verfiele in Raserei. Doch es nutzte nichts. Keine Flamme züngelte um das kalte Tier herum.

Elia nun opferte ebenfalls ein Rind, bereitete den Altar genauso vor, aber ließ zum Abschluss mit Wassereimern alles nass machen. Dann rief Elia nur einmal: „Dieses Volk soll erkennen, dass du, HERR, der wahre Gott bist und dass du sein Herz zur Umkehr wendest.“ Sofort stand der ganze Altar in Flammen. Ergriffen und eingeschüchtert von dieser Machtdemonstration des HERRN, warf sich das anwesende Volk zu Boden und rief: „Der HERR ist Gott, der HERR ist Gott!“ Elia nutzte diese emotionale Ausnahmesituation und hetzte die Leute gegen die verdutzten Propheten des feuerscheuen Baal auf. Sie alle wurden getötet. Doch nun schweben plötzlich auch alle anderen Israeliten in Lebensgefahr, denn der HEER kündigt an, jeden zu töten, der Baal angebetet hatten. Wie viele Menschen zu jener Zeit in Israel lebten, ist nicht eindeutig belegt. Allerdings hieß es zu Salomos Zeiten noch, das Volk sei „zahlreich wie der Sand am Meer“, weswegen es wohl eine große Bevölkerung gab. Was aber klar ist, ist die Zahl jener, die Gott verschonen wollte: nur 7.000.

Doch zum Problem mit Gott kam für Ahab noch ein ganz irdisches in Gestalt des Königs von Aram, der die israelische Stadt Samaria belagerte, in der Ahab auch selbst wohnte. Die dreisten Forderungen des fremden Königs (er verlangte alles Silber, alles Gold, seine Frauen und Söhne) akzeptiert Ahab zu Beginn sogar, weil er keine andere Möglichkeit sah, gegen dessen Armee zu bestehen, zu der zweiunddreißig Könige und ihre Truppen gehörten. Doch als die Forderungen nach der Zusage noch dreister wurden (jetzt sollte auch alles Wertvolle aus den Häusern des Königs und seines Gefolges geraubt werden), blieb Ahab praktisch keine Wahl, als die Konfrontation zu suchen.

Gott ließ die kleine Streitmacht der Israelis siegen und als einige Zeit später erneut eine Armee anrückte, fiel der Sieg sogar so vernichtend aus, dass der König von Aram um Gnade flehte und diese auch gewährt bekam. Vielleicht war das die einzige noble Geste, zu der sich Ahab in seinem Leben jemals durchringen konnte und ausgerechnet diese sollte sich als der größte Fehler seiner vielen Fehler erweisen.

Gott hatte nämlich erwartet, dass der feindliche König getötet wird. Nun wurde Ahab verkündet, dass er sein Leben für das Leben des verschonten Feindes geben muss. Womöglich hatte er irgendwann aber auch den Überblick über all die düsteren Drohungen und Ankündigungen verloren, die ihm Gott sendete. Für eine andere war seine Frau verantwortlich, die ohnehin eine der grausamsten Ehepartnerinnen der Bibel ist.

Sie hatte nicht nur die Ermordung aller Propheten des HERRN gefordert, sondern ließ durch eine List auch einen Weinbergsbesitzer steinigen, damit ihr Mann dessen Weinberge übernehmen kann. Daraufhin wurde ihm die Auslöschung seiner Familie angekündigt und in Bezug auf seine Frau, dass ihre Leiche eines Tages von den Hunden vor der Stadtmauer gefressen wird.

Zum ersten Mal seit langer Zeit kämpfen die Israeliten wieder vereint, statt gegeneinander

Erstaunlicherweise machte der HERR aber einen halben Rückzieher, nachdem Ahab in einer dramatischen Selbstanklage sein Hemd zerriss, ein Büßergewand anlegte, fastete und „bedrückt umherging“. Daraufhin verschob Gott die Vernichtung seiner Familie auf die Zeit nach Ahabs Tod und gab bekannt: „Erst in den Tagen seines Sohnes werde ich das Unheil über sein Haus bringen.“ Vermutlich hat kaum eine andere Person in der Bibel es geschafft, Gott so milde zu stimmen und das, nachdem sie zuvor so aktiv die Abkehr vom Glauben an den HERRN betrieben hatte.

Man erinnere sich nur an Moses, der den bescheidenen Wunsch hatte, einen einzigen Schritt ins gelobte Land setzen zu dürfen, bevor er stirbt. Er bekam dafür eine Absage, weil der HERR es ihm nicht verzieh, dass er mal mit dem Stab gegen einen Felsen geklopft hatte, damit dieser Wasser spendet, statt den HERRN anzurufen, ob er diesen Felsen Wasser spenden lässt. Dieser vergleichsweise unbedeutende Zwischenfall hatte Gott so sehr erzürnt, dass er Moses seinen letzten Wunsch verwehrte. Ahab hatte da mehr Glück, warum auch immer.

Immerhin gelang Ahab bald darauf etwas, was lange Zeit undenkbar schien: Er verbündete sich mit dem anderen Teil der Israeliten gegen einen gemeinsamen Feind. Erstmals seit vielen Jahren standen alle Israeliten auf einer Seite des Schlachtfeldes, wenn auch die Einheit unter einem König noch nicht wieder hergestellt war. Der König Israels und der König Judas aber hatten sich zusammengetan und eroberten Städte zurück, die an Feinde der Israeliten verloren gegangen waren. Allerdings währte das gemeinsame Glück nicht lange, denn Ahab starb auf dem Schlachtfeld und die Israeliten mussten sich zurückziehen.

Während auf der Seite Judas, also den Nachkommen Davids und Salomos, mit der Ausnahme des Sohnes von Salomo selbst vernünftige und gottesfürchtige Männer regierten, blieb sich das Königreich Israel treu, weswegen auch der Sohn des Ahab tat, „was böse war in den Augen des HERRN“. Er betete Baal an und förderte die Verbreitung dieses Glaubens. Dabei sollte es längst mehr als genug Beweise dafür geben, dass eine solche Abkehr vom HERRN den Israeliten noch nie gutgetan hatte. Insgesamt machte aber das Königreich Israel, das zwei erfolgreiche und noch mehr gescheiterte Putsche erlebt hatte, ohnehin einen wesentlich instabileren Eindruck als das Königreich Juda, das nach der unglücklichen Regentschaft von Salomos Sohn ab der Generation seiner Enkel von recht vernünftigen Monarchen geführt wurde. Vom Glanz der Tage Salomos waren die beiden israelitischen Staaten jedoch weit entfernt. Und dabei war noch nicht mal klar, ob der Tiefpunkt schon erreicht ist. Zumal da immer noch Gottes Drohung im Raum stand, die Zahl der Israeliten im Königreich Israel auf nur noch 7.000 zu reduzieren.

(Fortsetzung folgt…)