Noch während König David lebte, erhob mit Adonija ein weiterer seiner Söhne Anspruch auf seine Nachfolge. Er ging dabei vielleicht etwas zu ungestüm vor und wollte durch eine öffentliche Bekanntmachung für Fakten sorgen. Vielleicht fühlte er sich auch deswegen zu sicher, weil ihn mit Joab jener Feldherr unterstützte, der in den letzten Jahrzehnten maßgeblich die Macht Davids gesichert hatte.

Er sammelte viele mächtige Männer um sich und feierte mit ihnen ein Fest, das so etwas wie eine vorgezogene Königswahl darstellte. David wurde berichtet, dass bei diesem Treffen auch „Es lebe der König Adonija!“ gerufen wurde. Wie sehr sich sein Möchtegern-Nachfolger im greisen David geirrt hatte, sollte er jedoch schon bald schmerzhaft erfahren. Dieser dachte nämlich gar nicht daran, sich von solchen öffentlichen Machtdemonstrationen beeindrucken zu lassen und auch nicht davon, dass mit Joab sein mächtigster Militär zu Adonija hielt.

Er organisierte darum eine Gegen-Veranstaltung, auf der er seinen Nachfolger bekannt gab. Bei diesem handelte es sich ebenfalls um einen seiner anderen Söhne mit Namen Salomo. Er wurde gesalbt, es wurden Hörner gestoßen und das Volk wurde ermutigt: „Es lebe König Salomo!“, zu rufen. Diese Jubelschreie erreichten auch das Fest des Adonija. Als kurz darauf auch noch ein Bote bei ihm auftauchte, brauchte es nur drei kurze Sätze, um die Feierstimmung endgültig zu ruinieren:  „Der Priester Zadok und der Prophet Natan haben Salomo zum König gesalbt. Salomo hat sich bereits auf den königlichen Thron gesetzt. Dabei hat sich der König auf seinem Lager tief verneigt.“

Wer auch immer bisher Adonija unterstützte, begriff, dass er auf den falschen Mann gesetzt hatte. Alle versuchten nun panisch, die Seiten zu wechseln, um im aufziehenden Reich Salomos nicht von der Macht ausgeschlossen zu sein oder gar wegen dieses gefährlichen Fehltritts sterben zu müssen (was später in der Tat einige mussten).

Davids letzter Wunsch war erstaunlich brutal

König David verabschiedete sich in bitterer Stimmung aus dieser Welt. Er riet Salomo, Joab zu töten und reduzierte dessen Lebensleistung auf die Morde an den beiden Generälen Abner und Amasa. Dass Joab gleichzeitig das Königreich Davids über Jahrzehnte vor mächtigen Widersachern beschützt hatte und auch die beiden Generäle zum Zeitpunkt ihres Todes Feinde Davids waren, ließ er unerwähnt. Womöglich steckte aber auch viel Frust über Joab in diesem Wunsch, schließlich hatte dieser David selbst auf dem Höhepunkt seiner Macht recht barsch behandelt, wenn es ihm nötig schien.

Eindeutig kleingeistig ist aber, was David in Bezug auf einen Mann mit Namen Schimi erbat. Dieser hatte ihn vor vielen Jahren beleidigt, sich aber später ehrlich entschuldigt, woraufhin David die Angelegenheit für erledigt erklärt hatte und vor Gott schwor: „Ich werde dich nicht mit dem Schwert hinrichten.“ Nun aber fand er offenbar, dass es etwas ganz anderes wäre, wenn ihn stattdessen sein Sohn Salomo mit dem Schwert hinrichtet. Auch wenn das nicht gegen den eigenen Schwur verstieß, so doch gegen jedes Gefühl von Anstand und Moral. Doch den greisen Monarchen störte das alles nicht und so lauteten seine letzten Worte in dieser Welt erstaunlicherweise: „Schick sein graues Haupt blutig in die Unterwelt.“

Nach dem Tod Davids ging Salomo auch direkt daran, die Todesliste seines Vaters abzuarbeiten, wobei er diese noch um eigene Kandidaten erweiterte. So fing er mit seinem Bruder und gescheiterten Königsaspiranten Adonija an. Dieser hatte zwar längst seine Ambitionen aufgegeben und sich untergeordnet, aber Salomo ließ ihn trotzdem von einem Mann mit Namen Benaja erstechen. Dieser tötete danach auf die gleiche Weise Joab schickte das Haupt des greisen Schimi „blutig in die Unterwelt“, womit Salomo gleich zu Beginn seiner Herrschaft für blutige Fakten gesorgt hatte.

Zugleich setzte er als Militärchef auf den durchtriebenen Joab, der schulterzuckend zwei alte wehrlose Männer sowie einen jungen wehrlosen Mann erstochen hatte. Ob er damit wirklich der charakterliche Gegenentwurf zu Joab war oder doch nur eine jüngere Version von ihm, sei dahingestellt.

Eine Ruine voller Leichen als Hochzeitsgeschenk

Unter Salomos Herrschaft sollte Israel eine noch nie gekannte Blütezeit erleben. Das Land war nun unangefochten die stärkste Macht in der Region und „hatte Frieden ringsum nach allen Seiten.“ Das hatte es noch nie gegeben. Was es ebenfalls noch nie gab, war die Ehe, die Salomo einging. Er schloss sie nämlich mit einer Tochter des ägyptischen Pharaos. Damit standen sich die früheren ägyptischen Sklavenhalter und die früheren israelitischen Sklaven plötzlich als gleichberechtigte Nationen gegenüber. Wobei der Pharao das vielleicht unpassendste Hochzeitsgeschenk machte, das man sich vorstellen kann. Er hatte eine Stadt der Kanaaniter erobert, eingeäschert und die Bewohner getötet, bevor er die rauchende Ruine voller Leichen feierlich seinem Schwiegersohn übergab.

Doch nicht nur das Reich der Israeliten blühte auf, sondern auch sein König hatte einen beeindruckenden Ruf, der weit über die Grenzen des eigenen Landes hinausging. Monarchen aus aller Welt reisten an seinen Hof, um an seiner Weisheit teilzuhaben. Seine klugen Urteile wurden sogar sprichwörtliche „salomonische Urteile“. Ein berühmtes Beispiel dafür waren die beiden Mütter, die sich um ein neugeborenes Kind stritten. Weil beide behaupteten, es sei ihres, nahm Salomo ein Schwert und kündigt an, das Kind in zwei Teile zu schneiden, damit beide Frauen eine Hälfte davon erhalten können. Die eine stimmte zu, doch die andere wollte es nun lieber ihrer Gegnerin geben, als es sterben zu sehen. Also gab Salomo ihr das Kind, da ihre Mutterliebe bewies, dass es ihres war.

Wenn er nicht gerade mit den zur Verfügung stehenden Mitteln der Zeit Fragen der Mutterschaft klärte, ging er auch einer produktiven künstlerischen Laufbahn nach, die dreitausend Sprichworte und über tausend Lieder umfassen sollte. Er war ohnehin ein Mann der Superlativen, denn auch die Zahl seiner Frauen übertraf alles, was man bisher in Israel gekannt hatte. Salomo kam auf nicht weniger als tausend, wobei siebenhundert davon „fürstliche Frauen“ waren und dreihundert „Nebenfrauen“.

Er machte sich auch damit einen Namen, dass er das wichtigste Gebäude erbaute, das Israel je gesehen hatte: den Tempel Gottes. Wie so vieles andere auch, das Salomo anpackte, wurde es ein Rekordprojekt. Mehr als 180.000 Mann waren an den Bauarbeiten beteiligt, die meisten in den körperlich anstrengenden Tätigkeiten als Steinhauer oder Lastträger. Nach elf Jahren konnte der König schließlich stolz verkünden, dass der Tempel fertiggestellt war, der mit vergoldeten Schätzen nicht geizte, nur um auch zur Einweihung eine weitere Bestmarke aufzustellen. Noch nie gab es so viele Opfergaben. 220.000 Rinder und 120.000 Schafe wurden getötet.

In der wilden Feier ging eine erstaunlich weitsichtige Bemerkung Salomos fast unter. Er bat Gott nämlich, auch dann sein auserwähltes Volk zu erretten, wenn es wieder einmal vom Glauben abfallen würde: „Höre dann im Himmel, dem Ort, wo du wohnst, ihr Beten und Flehen! Verschaff ihnen Recht und verzeih deinem Volk, was es gegen dich gesündigt hat; verzeih ihm alle Frevel, die es gegen dich begangen hat.“ Das war erstaunlich weitsichtig für einen König, unter dessen Herrschaft solche Katastrophen undenkbar schienen. Immerhin waren die Israeliten nun „zahlreich wie der Sand am Meer“, während Silber keinen Wert hatte, weil es so viel Gold gab. Darum heißt es: „So übertraf König Salomo alle Könige der Erde an Reichtum und Weisheit.“

Salomo missachtet Gottes Willen und sein Nachfolger zahlt den Preis dafür

Was macht also ein Mann, der alles hat, dem Gott zur Seite steht, der ein gefeierter Dichter und respektierter Herrscher ist und dessen größte Herausforderung vermutlich darin besteht, sich die Namen aller seiner Frauen zu merken? Im Falle von Salomon ist die Antwort klar: Er machte einen unverzeihlichen Fehler. Einen Fehler, der ernsthaft an seiner legendären Weisheit zweifeln lässt, und der schon mit der Auswahl seiner Frauen begann, unter denen sich auch welche aus den Völkern befanden, „von denen der HERR den Israeliten gesagt hatte: Ihr dürft nicht zu ihnen gehen und sie dürfen nicht zu euch kommen; denn sie würden euer Herz ihren Göttern zuwenden.“

Mit den Jahren, „als Salomo älter wurde“, kam es genau so und Salomo ließ Tempel für andere Götter errichten und verehrte auch „die Göttin der Sidonier und den Götzen der Ammoniter“. Kurzum: „Er tat, was böse war in den Augen des HERRN“, weswegen dieser mit seinem bisherigen Liebling hart ins Gericht ging, und ihm ankündigte: „Ich werde dir das Königreich entreißen und es deinen Knechten geben.“

Doch Salomo hatte Glück im Unglück, denn „nur deines Vaters David wegen werde ich es nicht schon zu deinen Lebzeiten tun; erst deinem Sohn werde ich es entreißen.“ Wobei das den Sohn um die Möglichkeit brachte, sich als würdiger König zu erweisen. Auch an dieser Stelle wird die Regel, dass es keine Sippenhaft geben darf, großzügig ausgelegt. Als Salomo starb, hatte er wie sein Vater David vierzig Jahre regiert und führte Israel in ein Zeitalter nie dagewesenen Wohlstands, Friedens und Sicherheit. Nur um all das in seinen zahlreichen Ehebetten wieder zu riskieren und seinem Sohn und Nachfolger Rehabeam ein vergiftetes Erbe zu hinterlassen.

Das Schicksal dieses neuen Herrschers war schon vor dem Besteigen des Throns besiegelt und die Frage ist, ob er von Gottes Worten wusste oder ob Salomo diese für sich behalten hatte. Für letzteres spricht, dass Rehabeam ansonsten wohl kaum die Nachfolge angetreten hätte. Aber er hatte es getan und damit sollten politische Unsicherheit und brutale Machtkämpfe nach Israel zurückkehren, von denen eine ganze Generation verschont geblieben war.

(Fortsetzung folgt…)