Wenn Krieg der Normalfall ist, wirken auch Gesten der Versöhnung manchmal wie Fallen. Mit der Folge, dass auf sie mit Gewalt reagiert wird und der nächste Krieg ausbricht Diese Erfahrung musste auch König David machen, der nach dem Tod eines Ammoniterkönigs (jenes Mannes, der einst den Bewohnern einer israelitischen Stadt versprach, sie zu verschonen, wenn sie sich dafür je ein Auge ausstechen lassen) sein Beileid übermitteln wollte.

Die misstrauischen Ammoniter vermuten in Davids Männern jedoch Kundschafter, die in Wahrheit ihre Schwachstellen ausspionieren sollten. Also wurden sie öffentlich gedemütigt und danach zu David zurückgeschickt, bevor die Ammoniter sich eilig mit den Aramäern verbündeten, da sie mit einem Schlag der Israeliten rechneten.

Dieser erfolgte auch unter dem Kommando des gefürchteten Feldherrn Joab, der die Truppen beider Völker in einer einzigen Schlacht vernichtete, in der allein vierzigtausend Reiter der Aramäer starben. Und alles nur, weil ein Kondolenzbesuch mit einer Spionageaffäre verwechselt wurde.

Während David seinen Oberbefehlshaber Joab das Land der Ammoniter verwüsten ließ und seine Truppen die Stadt Rabba belagerten, verliebte er sich in Jerusalem ausgerechnet in eine Frau, deren Mann an diesem Feldzug teilnahm. David begann nicht nur Ehebruch, sondern schwängerte die Frau dabei auch noch. Was sollte er nun also machen, damit die ganze Angelegenheit nicht noch unangenehmer für ihn wird?

Er entschied sich dafür, Joab einen Befehl an die Front zu schicken. Er sollte doch bitte den Krieger Urija (so hieß der gehörnte Ehemann) dort einsetzen, „wo der Kampf am heftigsten ist, dann zieht ihr euch von ihm zurück, so dass er getroffen wird und den Tod findet.“ So kam es dann auch und der Mann fiel vor der Stadt Rabba. David hatte also eine radikale Form der Problemlösung gesucht, radikal in seiner Feigheit und seiner Brutalität. Genaugenommen kostete sein Seitensprung noch mehr Soldaten das Leben, denn „es fielen einige vom Volk, das heißt, von den Kriegern Davids.“

Als David vom Tod dieser Männer erfuhr, meinte er ungerührt: „Betrachte die Sache nicht als so schlimm, denn das Schwert frisst bald hier, bald dort.“ Doch einer empfand die ganze Sache sehr wohl als schlimm: Gott. Er warf David vor, „durch das Schwert der Ammoniter hast du ihn umgebracht“, wofür er ihn hart bestrafte. Zum einen mit der Ankündigung „ich werde dafür sorgen, dass sich aus deinem Haus das Unheil gegen dich erhebt“ und zum anderen, durch den schnellen Tod des mittlerweile geborenen Jungen – auch wenn das genaugenommen vor allem diesen hart bestrafte.

Wobei das Sterben des Sohnes zugleich viel über den Charakter Davids verrät. Solange er noch hoffen konnte, dass das kranke Kind überlebt, aß er nichts und schlief auf dem harten Boden. Sieben Tage ging das so, doch als der Junge schließlich nach einer fürchterlichen Woche starb, stand David mit unerwarteter Zielstrebigkeit auf, „wusch sich, salbte sich, wechselte seine Kleider, ging zum Haus des HERRN und warf sich nieder.“ Und dann wollte er essen. Als ihn irritierte Diener fragten, warum er nun so plötzlich wieder isst, meinte er: „Als das Kind noch am Leben war, habe ich gefastet und geweint; denn ich dachte: Wer weiß, vielleicht ist der HERR mir gnädig und das Kind bleibt am Leben. Jetzt aber, da es tot ist, warum soll ich da noch fasten? Kann ich es zurückholen?“ Viel pragmatischer kann man die Sache nicht sehen. Bald darauf vergnügte er sich dann auch schon wieder mit der Mutter des toten Kindes und zeugte mit ihr einen weiteren Sohn, der Salomon hieß und später noch eine große Rolle spielen sollte.

Doch Davids Affäre mit einer verheirateten Frau verblasste vor dem Verbrechen, das zwischen seinen anderen Kindern geschehen sollte. Sein Sohn Amnon verliebte sich in seine Tochter Tamar, lockte sie unter einem Vorwand zu sich und missbrauchte sie schließlich. Dass die biblische Welt von Gleichberechtigung nichts wissen wollte, merkt man an der direkten Reaktion auf dieses Verbrechen. Der Täter wurde in Ruhe gelassen, während auf das Opfer sozial Isolation wartete. Ein anderen ihrer Brüder, Abschalom, hatte außerdem noch den irritierenden Ratschlag: „Nimm dir die Sache nicht so zu Herzen.“ Wobei zur, na ja, Ehrenrettung Abschaloms erwähnt werden sollte, dass er Amnon für ebendieses Verbrechen zwei Jahre später tötete.

Er floh danach und sammelte im Geheimen eine große Zahl von Unterstützern um sich, bis er drei Jahre später nach Jerusalem zurückkehrte und den Thron seines Vaters David beanspruchte. Dieser versuchte erst gar nicht, zu kämpfen, sondern floh aus Jerusalem und überließ das Land damit fürs Erste seinem Sohn und Herausforderer. Letztlich sollte die Rebellion aber schneller in sich zusammenstürzen, als es nach der hastigen Flucht des Königs zu erwarten war. Einmal mehr war es Davids Oberbefehlshaber Joab, der den Widerstand beinahe im Alleingang brach und dabei gewohnt kaltblütig vorging. Schon in der ersten Schlacht tötete er persönlich Abschalom, obwohl er ihn mit Leichtigkeit hätte gefangennehmen können, was auch eindeutig König Davids Befehl war.

David „weinte und trauert“ über seinen toten Sohn und „so wurde der Tag der Rettung für das ganze Volk zu einem Trauertag.“ Doch Joab wagte es trotzdem, den Monarchen heftig zu kritisieren. Er warf ihm etwas vor, was bei jedem anderen für die sofortige Hinrichtung gereicht hätte: „Jetzt weiß ich, dass es in deinen Augen ganz richtig wäre, wenn Abschalom noch am Leben wäre, wir alle aber heute gestorben wären.“

Am Ende befahl er dem König regelrecht, sich zusammenzureißen und die Leute zu würdigen, die für ihn gekämpft hatten: „Doch nun steh auf, geh hinaus und sag deinen Leuten einige anerkennende Worte!“ Wobei er sogar vor Drohungen nicht zurückschreckte: „Denn ich schwöre dir beim HERRN: Wenn du nicht hinausgehst, dann wird bis zur kommenden Nacht keiner mehr bei dir sein und das wird für dich schlimmer sein als alles Unheil, das dir von deiner Jugend an bis jetzt zugestoßen ist.“ So klingt kein Untergebener, so klingt die eigentliche Macht im Staat. Vermutlich war das der Grund, warum David seinen Oberbefehlshaber bald darauf durch einen Mann mit Namen Amasa ersetzte, während Joab auf eine weniger wichtige Funktion im Militär abgeschoben wurden.

Dass David damit die wohl schlechteste Personalentscheidung seines Lebens getroffen hatte, dürfte er spätestens dann gemerkt haben, als ein weiterer Putschversuch seine Macht erschütterte, bei dem niemand anderes als sein neuer Oberbefehlshaber Amasa an der Spitze der Rebellenarmee stand. Es ging ihnen darum, Scheba aus dem Stamm der Benjaminiten zum König zu machen. In dieser Krise kehrte Joab in seine alte Position zurück und führte die Truppen Davids in die Schlacht, so wie er es viele Jahre lang getan hatte. Auch in diesem Konflikt machte er den Unterschied aus.

Bei einer Begegnung mit dem Befehlshaber der Rebellen, erkundigt er sich freundlich „geht es dir gut, mein Bruder?“, bevor er Amasa einen Dolch in den Bauch rammte. Auf ganz ähnliche Weise hatte er Jahre zuvor schon Abner aus dem Weg geräumt und erneut sollte er mit seiner Mischung aus Attentaten und maßloser Gewalt Erfolg haben. Als er kurz darauf die Stadt belagerte, in der sich Gegenkönig Scheba versteckt hielt, machte er den Einwohnern ein Angebot. Er würde sie und ihre Stadt verschonen, wenn sie nur diesen einen Mann ausliefern würden, was die Bewohner dann auch auf finale Weise taten: „Sie schlugen Scheba den Kopf ab und warfen ihn Joab zu.“ Der Aufstand war damit vorbei und König Davids Macht gesichert. Zumindest für den Moment.

Insgesamt mehrten sich bei David aber unerbittlich die Zeichen des Alters. Als er während einer Schlacht (mal wieder gegen die Philister) „müde“ wurde, nahm er nicht mehr weiter am Kampf teil. Darum ist unklar, ob er vor Ort mitbekam, dass ein junger Israelit seine eigene Heldentat wiederholte und ebenfalls einen Goliath besiegte. Ob erneut eine Schleuder zum Einsatz kam, ist nicht überliefert. Nachdem sich auf diese Weise herausstellte, dass es mehr als einen Goliath gab, erschien sogar ein noch erstaunlicherer Krieger auf dem Schlachtfeld, der ebenfalls eine kolossale Körpergröße hatte, dazu aber „an jeder Hand sechs Finger und an jedem Fuß sechs Zehen.“ Doch all seine zusätzlichen Körperteile halfen ihm nichts, denn auch er wurde von einem Israelit erschlagen. Sogar von einem Neffen Davids.

David selbst griff nun immer öfter zur Feder statt zum Schwert und verfasste ein Danklied auf den HERRN, das wohl alles enthielt, was dieser gerne über sich hörte. Da wurde er „mein Fels und meine Burg und mein Retter“ genannt und „mein Schild und Horn“ und „meine Zuflucht“. Mit Gott sei alles möglich, „ja, mit dir überrenne ich Scharen, mit meinem Gott überspringe ich Mauern“. David stellte auch sich selbst im Lied ein überraschend gutes Zeugnis aus und stellte fest: „Von Gottes Satzung weiche ich nicht ab“ oder auch „ich war vor ihm ohne Makel!“ Was ziemlich mutige Behauptungen für jemanden sind, der die Frau eines anderen schwängerte und ihren Ehemann schließlich in einer Schlacht töten ließ, um ihn so aus dem Weg zu räumen.  Doch kein noch so eitles Dankeslied konnte verhindern, dass seine Zeit langsam zur Neige ging, weswegen schon bald der Machtkampf um seine Nachfolge entbrennen sollte.

(Fortsetzung folgt…)