Gott forderte Samuel auf: „Fülle dein Horn mit Öl und mach dich auf den Weg!“ Was nichts anderes hieß als: Wir suchen schon mal einen Nachfolger für den noch amtierenden König. Gott wusste auch schon, wer es werden soll. Der junge Mann hieß David, hatte schöne Augen, eine schöne Gestalt und war „rötlich“, was vermutlich auf seine Haare bezogen war. Im Gegensatz zu Saul, der sich einst mit den Eseln herumgeplagt hatte, kümmerte sich David um Schafe. Samuel salbte ihn ähnlich übergriffig zum legitimen Nachfolger, wie er es einst mit Saul getan hatte.

Der selbst spürte zu jener Zeit längst die Nachteile davon, Gottes Gunst verloren zu haben. „Ein böser Geist vom HERRN verstörte ihn“, wogegen seine Diener sanfte Leiermusik empfahlen. Dafür suchten sie jemanden, der dieses Instrument spielen konnte und fanden diese Person in David. Es dürfte nicht zu weit hergeholt sein, darin keinen Zufall zu sehen, sondern einen Plan Gottes.

Es ist nicht klar, um was es sich bei diesem „bösen Geist“ handelte, der den Monarchen regelmäßig quälte, aber womöglich kann man ihn auch etwas weniger dramatisch als wiederkehrenden Kopfschmerz sehen, mit dem Gott den König peinigte. So oder so halfen die sanften Melodien tatsächlich etwas, die der Leier entstiegen. David jedenfalls kam beim König gut an, der ihn „lieb gewann“ und ihn zu seinem Waffenträger erklärte und keine Ahnung hatte, dass er es hier mit seinem ausgewählten Nachfolger zu tun hat.

Dass David nicht nur ein freundlicher Mann war, der Leier spielte, bezeugte er zur Überraschung aller im Kampf gegen die Philister. Dieses Volk sollte sein weiteres Leben entscheidend mitbestimmen und er sollte umgekehrt zu ihrem Schrecken werden, der sie ein ums andere Mal besiegte und schließlich doch bei ihnen Zuflucht suchen und beinahe mit ihnen gemeinsam gegen die Israeliten in den Krieg ziehen. Doch all diese künftigen Ereignisse waren noch weit weg, im Gegensatz zu einem Philister mit Namen Goliath, der vor den israelitischen Kriegern hin und her lief und sie verhöhnte, während hinter ihm die Streitmacht seines Volkes wartete.

War der Sieg über Goliath mutig oder feige?

Er forderte immer wieder dazu auf, dass sich doch bitte jemand wagen sollte, gegen ihn zu kämpfen. Eins gegen eins. Vierzig Tage ging das so weiter, dass der hünenhafte Goliath zwischen die Armeen trat und an den Stolz der Israeliten appellierte. Doch niemand wagte den Kampf gegen diesen mächtigen Krieger. Bis David eher zufällig am Schlachtfeld eintraf, wo drei seiner Brüder als Armeeangehörige die Stellung hielten. Als er Goliath so unflätig sprechen hörte, fragte David laut: „Wer ist denn dieser unbeschnittene Philister, dass er die Schlachtreihen des lebendigen Gottes verhöhnen darf?“ Die ständigen Provokationen ärgerten ihn so sehr, dass er sich freiwillig für den Zweikampf meldete. Zwar hatte er keine militärische Ausbildung und verweigerte eine Rüstung, da er sich darin unwohl fühlte, aber dafür trat er mit viel jugendlichem Leichtsinn vor Goliath.

Als Waffe trug er nur eine Schleuder und fünf glatte Steine bei sich. Auf einen Nahkampf sollte er sich also besser nicht einlassen. Zwischen David und Goliath entspann sich als erstes ein Kampf der Worte, wobei Goliath mit Blick auf die Schleuder höhnte: „Bin ich denn ein Hund, dass du mit einem Stock zu mir kommst?“ David bemerkte in Bezug auf all die Waffen seines Gegners wiederum: „Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Sichelschwert, ich aber komme zu dir im Namen des HERRN der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, den du verhöhnt hast!“ Außerdem kam er mit seiner Schleuder, was er nicht aufzählte, was aber sogleich noch ziemlich wichtig werden sollte. Am Ende waren sich dann beide einig, den Leichnam des jeweils anderen den Tieren vorwerfen zu wollen, bevor das Duell begann. Da es eines der berühmtesten der Menschheitsgeschichte ist und zugleich sein vollständiger Verlauf überraschend kurz war, sei es hier in ganzer Länge wiedergegeben:

„Als der Philister immer weiter vorrückte und immer näher an David herankam, lief auch David schnell auf die Schlachtreihe zu, dem Philister entgegen. Er griff in seine Hirtentasche, nahm einen Stein heraus, schleuderte ihn ab und traf den Philister an der Stirn. Der Stein drang in die Stirn ein und der Philister fiel mit dem Gesicht zu Boden.“ Die Bibel fasst zusammen: „Er traf den Philister und tötete ihn, ohne ein Schwert in der Hand zu haben.“

Das sollte die Großartigkeit seiner Tat noch weiter unterstreichen. Man kann es aber auch so sehen, dass da jemand mit einer Schusswaffe zu einem Zweikampf erschien und feige aus der Ferne seinen Gegner niederstreckte. Wobei es David wohl nicht gerecht würde, ihn als Feigling zu bezeichnen, schließlich war er nach vierzig Tagen der Verhöhnung der einzige Israelit, der sich Goliath entgegenstellte. Oder vielleicht war er auch nur einfach der Einzige, der eine Fernkampfwaffe besaß. Wie auch immer, dieser Sieg veränderte sein Leben, machte ihn zum Volkshelden und bescherte ihm einen unerwarteten Erzfeind. Dabei handelte es sich um König Saul, der die Lobgesänge nicht ertrug, laut denen er selbst tausend Feinde erschlagen habe, David aber zehntausend! Was ja auch ganz offenbar nicht stimmte, denn David hatte genaugenommen nur einen einzigen Feind niedergestreckt.

Saul versucht darum, den jungen Volkshelden kurzerhand zu töten und schleuderte dafür unerwartet einen Speer nach ihm, dem David aber ausweichen konnte. Danach schickte ihn Saul auf gefährliche Militäroperationen, immer in der Hoffnung, dass er dabei umkommt. Doch diese düsteren Wünsche erfüllten sich nicht und mit jeder Rückkehr wurde David noch beliebter. Saul gab aber nicht so schnell auf und erdachte sich schließlich ein wahres Himmelfahrtskommando für David, dem er seine Tochter Michal versprach, wenn er ihm zuvor hundert Vorhäute der unbeschnittenen Philister bringen würde. David willigte ein und kam sogar mit zweihundert Vorhäuten zurück, womit er vermutlich einer der erfahrensten Beschneider seiner Zeit wurde. Die Ehe wurde geschlossen und Saul hasste David nun umso mehr.

Er konnte das kaum verbergen, weswegen einer seiner Söhne mit ihm sprach, was eine kurzfristige Stimmungsänderung zur Folge hatte, während der David sogar wieder in den Dienst Sauls gestellt wurde. Es sollte das letzte Mal sein, dass sie so eng zusammenarbeiteten, denn die Ruhe hielt nicht lange an, bevor Saul erneut mit einem Speer nach David warf. Danach wurden dem Goliath-Bezwinger die Stimmungsschwankungen Sauls zu gefährlich und er beschloss, zu fliehen. Wie beliebt er war, merkt man auch daran, dass seine Frau Michal beziehungsweise Sauls Tochter ihren Vater belog, um seine Flucht zu ermöglichen.  Das gleiche galt für Sauls Sohn Jonathan, der selbst wiederum ein Kriegsheld war, weil er einst bei einer Vertreibung der Philister mutig voranschritt und nun ein enges Band zu David pflegte. Er entschied sich im Grunde auch für David und gegen seinen Vater.

David rettet sich, indem er einen Wahnsinnigen spielt

Seine Flucht verlief einigermaßen skurril. Er holte sich in einem Tempel das dort aufbewahrte Schwert Goliaths ab, wobei diese Waffenübergabe später Anlass für eine furchtbare Strafaktion Judas werden sollte, der sich damit endgültig in die lange Reihe paranoider Könige einreihte, die die Menschheitsgeschichte hervorgebracht hat. David wiederum entschied sich für ein erstaunliches Ziel seiner Reise: die Stadt Gat, die den Philistern gehörte. Offenbar ging er davon aus, dass man ihn niemals ausgerechnet im Land jener Feinde vermuten würde, deren stolzen Krieger Goliath er getötet hatte. Als er in der Stadt ankam, dauerte es aber nicht lange, bis er erkannt wurde, was aufgrund seiner Vorgeschichte lebensgefährlich war.

David befreite sich aus dieser Situation auf ungewöhnliche Weise: „Darum verstellte er sich vor ihnen und tat in ihrer Gegenwart so, als sei er wahnsinnig“, was er durch das Bekritzeln des Stadttores unter Beweis stellte, außerdem „ließ er sich den Speichel in den Bart laufen.“ Er kam so überzeugend rüber, dass der König ihn nicht schnell genug aus der Stadt schmeißen konnte, nachdem er ihn sich angeschaut hatte. Danach zog David sich mit mäßigem Erfolg in eine Höhle (nun im Land der Kanaaniter) zurück, die bald darauf zu einer wahren Pilgerstätte für alle werden sollten, die sich ihm anschließen wollten. Womit seine Höhle das genaue Gegenteil dessen werden sollte, was ein erfolgreiches Versteck auszeichnet. Auch seine Familie ließ es sich nicht nehmen, zu kommen und ein Prophet drängte ihn energisch, zurück nach Israel zu ziehen, was er schließlich auch tat.

Zur Zeit seiner Rückkehr dürfte sich auch das schreckliche Nachspiel ergeben haben, das auf die Aushändigung des Goliath-Schwerts folgte. Ein Getreuer Sauls hatte diese Übergabe nämlich beobachtet und dem König gemeldet. Saul – offenbar zunehmend unter Verfolgungswahn leidend – ließ daraufhin den Priester des Tempels und seine Familie zu sich rufen und gab seinen Dienern den Befehl, sie alle zu töten. Allerdings waren seine Diener über diesen verbrecherischen Befehl so entsetzt, dass sie sich weigerten, weswegen die Ausführung am Mann hängen blieb, der Saul überhaupt erst über die Geschehnisse im Tempel unterrichtet hatten. Er tötete daraufhin nicht weniger als fünfundachtzig Männer, sehr viele davon Priester. Nur ein junger Mann konnte dem Gemetzel entkommen und von dieser Tat berichten.

Er schloss sich David an, der mit einer Art paramilitärischen Einheit gerade die Philister zurückschlug, die die Stadt Keila belagerten. Saul, der zwar von Gott, aber nicht vom Wahnsinn verlassen war, eilte zu dieser Stadt und hoffte, David dort töten zu können. Dieser hatte vom HERRN die ernüchternde Nachricht erhalten, dass die Menschen der Stadt ihn ausliefern würden, weswegen er mit seinen 600 Mann floh. Es folgte ein Katz-und-Maus-Spiel mit Saul, bevor es zu einem Showdown der eher unappetitlicheren Art kam. Der amtierende König zog sich in eine Höhle zurück, um dort diskret seine Notdurft zu verrichten, nicht ahnend, dass sich David in dieser Höhle mit seinen Leuten versteckt hielt. Sie waren nahe genug am, nun ja, Ort des Geschehens, dass es David gelang, heimlich ein Stück vom königlichen Mantel abzuschneiden. Als später der König und nach ihm David und seine Leute diesen Ort verließen und wieder frischere Luft atmeten, rief David nach Saul und bewies ihm anhand des Mantelstücks, dass er ihn verschont hatte. Dieser war so gerührt davon, dass er sich erneut mit großen Worten mit David versöhnte, nur um kurz darauf sein Versprechen wieder zu brechen.

Vermutlich wäre Samuel der einzige Mensch mit ausreichend Autorität gewesen, um die beiden ehrlich zu versöhnen. Doch er wurde nie als Schlichter angefragt, bot sich selbst auch nicht an und verstarb nun außerdem hochbetagt und angesehen. Wobei er bald darauf eine unerwartete Rückkehr ins Reich der Lebenden haben sollte, über die weder er noch derjenige glücklich war, der ihn gerufen hatte – doch dazu gleich mehr. An David wäre eine Versöhnung jedenfalls nicht gescheitert. Er war für seine Zeit ein geradezu edler Krieger, der sich nicht vor allem durch kompromisslose Brutalität auszeichnete. Doch auch er hatte schlechtere Tage, an einem etwa war er drauf und dran einen Großgrundbesitzer und alle seine Männer töten, weil sie ihm weder Essen noch Trinken überlassen wollte.

Die Frau des Großgrundbesitzers verhinderte ein Blutbad, indem sie David das gewünschte heimlich lieferte. Als sie ihrem Mann danach erzählte, wie knapp sie einer Katastrophe entgangen waren, traf diesen der Schlag und er starb zehn Tage später. Dass seine Frau daraufhin ausgerechnet David heiratete, lässt tief in das fehlende Eheglück blicken, das sie mit dem Großgrundbesitzer wohl gehabt hatte. Damit erhöhte sich die Zahl der Ehefrauen Davids auf zwei – wobei es sich bei der anderen nicht mehr um Sauls Tochter Michal handelte, denn diese Ehe hatte der König längst annullieren lassen. (Michal sollte ohnehin ein zunehmend unglückliches Leben führen. Nach der Annullierung der Ehe wurde sie einem anderen Mann gegeben, bevor David sie zu sich bringen ließ, nur um zu merken, dass sie sich mittlerweile völlig entfremdet hatten und sie ihn geradezu verachtete.)

Jedenfalls kam es bald nach der großen Versöhnung mit Saul so, wie es eigentlich alle befürchtet hatten: der König nahm die Jagd auf David wieder auf. Dieses Mal versuchte David seine Friedfertigkeit dadurch zu beweisen, dass er ins Feldlager Sauls schlich und dessen Speer und Wasserkrug als Beleg dafür stahl, dass er ihn verschont hat. Erneut gab sich Saul rührselig und verkündete das Ende aller Feindseligkeit. Doch David war mittlerweile Realist genug um zu wissen, dass er niemals Ruhe vor dem König haben wird, dem er einst nachfolgen sollte. Darum entschied er sich zu einem erstaunlichen Schritt und wanderte erneut aus. Aber nicht irgendwo hin, sondern ausgerechnet wieder in jene Philister-Stadt, die er einst als Verrückter verlassen hatte. Nur, dass es dieses Mal mit offenen Karten spielte und zugab, wer er war. Erstaunlicherweise wurde er akzeptiert und focht nun für die Philister Schlachten, was noch viel erstaunlicher ist.

Samuel wird von den Toten zurückgerufen und ist darüber richtig sauer

Bald gab ihm der Philister-König die Stadt Ziklag, von der aus David immer wieder zu Gefechten ausrückte und weiterhin unbesiegt blieb. Auch als die Philister wieder gegen Israel zogen, verweigerte er sich nicht und war bereit, gegen Saul und damit sein eigenes Volk zu kämpfen. Saul hingegen hatte zu dieser Zeit ganz andere Probleme: Gott antwortete ihm nicht, obwohl er nun wirklich dringend einen Hinweis brauchte, wie er mit der Bedrohung durch die Philister umgehen sollte und ob der HERR ihm in diesem Krieg beistehen würde. Er war so verzweifelt, dass er eine Wahrsagerin besuchte, obwohl dieses Gewerbe unter ihm verboten wurde. Die Frau konnte Totengeister beschwören und auf diese Weise zwang Saul einen alten Bekannten zurück auf die Erde: Samuel. Der war deswegen mächtig sauer und nahm kein Blatt vor den Mund.

Die Israeliten werden verlieren und Saul und seine Söhne fallen, stellte er klar, bevor er wieder verschwand. Letztlich kam es übrigens doch nicht dazu, dass David gegen seine eigenen Leute Krieg führte, denn die Philister machten sich zu große Sorgen, ob ihn das womöglich in schwere Loyalitätsprobleme bringt. Also entließen sie ihn aus der Armee, was sich schon bald als Glücksfall erweisen sollte. Die Amalekiter hatten nämlich die Gunst der Stunde genutzt und seine Stadt Ziklag eingenommen, wobei sie die Bevölkerung (zu der auch Davids zwei Frauen zählten) gegen die Sitten der Zeit nicht töteten, sondern versklavten und mitnahmen. David verfolgte daraufhin die Amalektiter und machte sie nieder, während sie gerade zusammensaßen und ihren Erfolg betranken.

Im parallel dazu stattfindenden Feldzug der Philister fanden tatsächlich Saul und seine beiden Söhne den Tod. Nachdem ihre Armee geschlagen war, folgte eine Fluchtbewegung der israelitischen Bevölkerung, die aus ganzen Landstrichen und Städten floh, die an die Philister fielen. Die Besatzer, die Saul einst erfolgreich vertrieben hatte, waren mit seinem Tode zurückgekehrt, während sein legitimer Nachfolger den Untergang des Königreichs ausgerechnet vom Philisterland aus verfolgte.

Die entscheidende Frage war nun, wie David auf diese Ereignisse reagieren würde? Er konnte schließlich nicht mehr länger ein Gast der Philister bleiben und gleichzeitig der nächste König der Israeliten. Er musste sich entscheiden. Und er entschied sich auch.

(Fortsetzung folgt…)