Die Israeliten waren nicht vom Glauben abgefallen und sie hatten mit Samuel sogar einen von Gott ganz besonders geschätzten Propheten. Vermutlich zogen sie deswegen außergewöhnlich optimistisch in den Krieg gegen die Philister, dessen Grund nicht bekannt ist. Entsprechend groß war das Entsetzen, als die Philister sie in einer Schlacht besiegten und dabei viertausend Israeliten töteten.

In der Sorge vor einer endgültigen Niederlage wurde entschieden, die Bundeslade aus dem Tempel zu holen und als Art Geheimwaffe in die Schlacht zu führen. Als das mobile Heiligtum schließlich im Feldlager ankam, feierten die Soldaten seine Ankunft schon wie den Sieg. Den Philistern blieb nicht verborgen, was auf der Seite ihrer Feinde passiert war und sie machten sich ernsthafte Sorgen. „Das ist der Gott, der Ägypten mit allerlei Plagen in der Wüste geschlagen hat“, erzählten und fürchteten sie.

Doch offenbar folgten die Philister der Devise „Angriff ist die beste Verteidigung“, denn in ihren Reihen hieß es nun: „Seid tapfer, Philister, und seid Männer, damit ihr nicht den Israeliten dienen müsst, wie sie euch gedient haben.“ Und damit kein Zweifel mehr daran bestand, was diese Worte bedeuten sollen, lautete die abschließende Losung: „Seid Männer und kämpft!“

Und das taten sie auch, und zwar überwältigend erfolgreich. Vielleicht hatten die Israeliten nicht mit einem Angriff gerechnet oder gedacht, dass die Bundeslade sie unverwundbar macht. Auf jeden Fall wurde es ein Desaster und nicht weniger als dreißigtausend Israeliten starben auf dem Schlachtfeld, Dieses ähnelte wohl mehr einer Hinrichtungsstätte, da sie vom Angriff so überrascht wurden, dass sie sich nicht mehr in Kampfformation bringen konnten. Übrigens starben auch die beiden unwürdigen Söhne Elis, die Gott auf diese Weise dem frühen und gleichzeitigen Tod zuführte, den er ihrem Vater angekündigt hatte.

Die Angst der Philister vor Gottes widerspenstigem Möbelstück

Doch noch viel schlimmer als der Verlust an Menschen wog ein anderer: Die Philister hatten die Bundeslade erobert und mit in ihr Reich genommen. Als Eli darüber unterrichtet wurde, dass seine Söhne gefallen waren, blieb er ruhig, als er jedoch vom Verlust der Bundeslade hörte, fiel er „rückwärts von seinem Stuhl neben dem Tor, brach sich das Genick und starb.“ Damit hatte er im letzten Moment seines Lebens mehr als deutlich gemacht, dass seine Kinder nicht das Wichtigste für ihn waren.

Was er nicht wusste und auch das verzweifelte Volk nicht ahnte, war, dass sich die Bundeslade zu wehren verstand. Sie sorgte unter den Philistern zunehmend für Angst und Schrecken. Zu Anfang stand sie in einem Tempel des Philistergottes Dagon, dessen Figur immer wieder wie von Zauberhand umfiel und schließlich in mehrere Teile zerschmettert auf dem Boden lag.

Weil den Leuten die Bundeslade unheimlich war, wurde sie quer durch das Land transportiert, wobei sie aber an jedem Ort ihrer rastlosen Reise für Unruhe sorgte. Es kam unter anderem zu Pestausbrüchen und schließlich entflammten schon Aufstände, wenn die Bundeslade sich einer Stadt auch nur näherte, weil die Menschen um ihr Leben fürchteten.

Letztlich mussten die fünf Könige der Philister einsehen, dass die vermeintliche Kriegsbeute in Wirklichkeit als Waffe gegen die eigene Bevölkerung vorging und es eine Frage des Überlebens war, dieses widerspenstige Möbelstück Gottes wieder loszuwerden. Dabei mussten sie feststellen, dass es mit einer einfachen Rückgabe nicht getan war. Ihre Priester und Wahrsager stellten klar, dass unter den gegebenen Umständen auch Sühnegeschenke nötig wären. Eine Art Entschädigungszahlung dafür, die Bundeslade gestohlen zu haben.

Es kam vermutlich selten vor, dass Kriegsbeute auf eine so demütige Weise wieder an den geschlagenen Feind zurückgegeben wird. In diesem Fall bestanden die Gaben aus fünf goldenen Mäusen und, was durchaus ein wenig unappetitlich ist, fünf ebenso vergoldeten Geschwüren der fünf Könige. Beide Gaben sollten die Plagen bezeugen, die die Bundeslade über die Philister gebracht hatten.

Auf diese Weise kehrte das Heiligtum zu den Israeliten zurück. Das Volk freute sich, als es das Kutschengespann mit der wertvollen Fracht sah, das aus dem Philisterland kam und es feierte und brachte Gott Brand- und Schlachtopfer dar. Es war ein großes Fest, das vollkommen unerwartet in eine Tragödie umschlug, denn gewöhnlichen Israeliten war es untersagt, die Bundeslade zu erblicken. Diese Regel hatte Gott selbst aufgestellt und für deren Übertretung den Tod vorgesehen, doch in der allgemeinen Begeisterung schienen die Menschen sie kurzzeitig vergessen zu haben.

Im Gegensatz zu Gott selbst, den die allgemeine Jubelstimmung nicht davon abhalten konnte, siebzig oder womöglich sogar fünfzigtausend Menschen an Ort und Stelle zu töten und somit aus einem Volksfest einen Friedhof zu machen. Der doch erhebliche Unterschied zwischen den beiden möglichen Opferzahlen siebzig und fünfzigtausend ist der Tatsache geschuldet, dass beide seltsamerweise hintereinander in der Bibel stehen, als ob vergessen wurde, die falsche Zahl zu entfernen.

Schließlich wurde die ebenso wertvolle wie lebensgefährliche Bundeslade von den Priestern wieder in Gewahrsam genommen und an einen Ort gebracht, den kein unwürdiges Auge aus Versehen entdecken könnte. Doch ihre Geschichte sollte damit noch nicht auserzählt sein. Tatsächlich sollte sie künftig noch weitere Male im Mittelpunkt stehen und eine geheimnisvolle Entwicklung nehmen, die noch eine gewisse Rolle spielen wird.

(Fortsetzung folgt…)