Es gab schon in der Vergangenheit immer wieder interne Konflikte, die fast in einem Bürgerkrieg gemündet hätten und eine Schlacht, bei der Israeliten gegen Israeliten standen und die 42.000 Todesopfer forderte. Doch nun trat tatsächlich ein, was so mancher seit langer Zeit befürchtet hatte: Es kam zum Bürgerkrieg, an dem fast eine halbe Million Soldaten beteiligt waren. In den nächsten drei Jahren wurde ein israelitischer Stamm beinahe vernichtet, Städte gingen in Flammen, Zivilisten wurden gejagt und ermordet und damit ist die Liste der begangenen Verbrechen noch lange nicht vollständig.

Alles ging mit einem erschütternden Sexualverbrechen los. Ein Mann reiste mit einer seiner Nebenfrauen durchs Land und übernachtete dabei in einer kleinen Stadt. In der Nacht versammelten sich Männer vor dem Haus und bedrohten die Fremden, bevor sie die Frau über Stunden hinweg missbrauchten und dabei so sehr verletzten, dass sie starb.

Der Witwer machte dieses Verbrechen im ganzen Gebiet der Israeliten bekannt – indem er die Frau in zwölf Teile schnitt und an jeden Stamm einen Teil schickte, womit er für viel Entsetzten, aber auch Aufmerksamkeit gesorgt haben dürfte – und das Volk war entsetzt. Wenn Menschen in jener Zeit, in der bei Eroberungen regelmäßig die komplette Einwohnerschaft niedergemetzelt wurde, von einem Verbrechen empört waren, musste es wirklich außerordentlich schlimm gewesen sein. Dieses war ein solcher Fall und schnell wurde entschieden, eine Armee aufzustellen, um die Täter zu bestrafen, wobei die Bestrafung in diesem Fall der Tod war.

Ein Waterloo viele Jahrhunderte vor Waterloo

Doch die Benjaminiter, zu denen die Bewohner jener Stadt zählten, weigerten sich, die Verbrecher auszuliefern und nahmen lieber einen Kampf gegen die anderen Stämme in Kauf. Letztlich standen sich 26.000 Benjaminiter und 400.000 weitere Israeliten gegenüber und auch wenn das Kräfteverhältnis deutlich zugunsten der anderen Stämme ausfiel, kämpften die Benjaminiter sehr erfolgreich. Allein an einem einzigen Tag töteten sie zweiundzwanzigtausend Gegner, also Glaubensbrüder.

In einer anderen Schlacht fielen weitere 18.000, doch letztlich konnten sie sich der Übermacht nicht ewig erwehren, zumal Gott aufseiten der Allianz stand und die Benjaminiter darum in einem weiteren Gefecht ihr Waterloo erlebt hätten, wenn es diese Redewendung damals schon gegeben hätte. Sie verloren fünfundzwanzigtausend Mann, von denen mehrere Tausend in wilder Flucht niedergemacht wurden. Damit hatten sie praktisch ihre gesamte Armee verloren, die nur noch aus sechshundert Kriegern bestand.

Was danach folgte, war kein Frieden, sondern die Rache der Israeliten an der nun schutzlosen Bevölkerung der Benjaminiter. Die Sieger „erschlugen alles, was zu finden war, mit scharfem Schwert, von der männlichen Stadtbevölkerung bis zum Vieh. Ebenso steckten sie alle Städte, die sie finden konnten, in Brand.“ Auch die Bestrafung der Täter, die für den abscheulichen Tod der missbrauchten Frau verantwortlich waren und damit den Krieg erst ausgelöst hatten, fand statt. Weil der Bürgerkrieg aber offenbar das Gerechtigkeitsgefühl der Israeliten verändert hatte, suchten sie nicht gezielt nach den Tätern, sondern „erschlugen alles in der Stadt mit scharfem Schwert“.

Als das Töten vorbei war und die siegreichen Stämme entschieden, dass der schwer geschlagene Stamm der Benjaminiter nicht aussterben darf, gab es ein ganz praktisches Problem. Die Benjaminiter hatten kaum noch Frauen und dieser Notstand wurde auch nicht gerade dadurch entschärft, dass alle anderen Stämme den Schwur abgelegt hatten: „Keiner von uns darf seine Tochter einem Benjaminiter zur Frau geben“.

Am Anfang des Bürgerkriegs stand ein Sexualverbrechen und am Ende auch

Was also tun? Das Frauen-Problem wurde letztlich durch zwei Maßnahmen gelöst. Die erste war unglaublich brutal und mörderisch und die anderen im Vergleich dazu nur heimtückisch und für die Opfer traumatisierend. Für Maßnahme eins überprüften die Israeliten, ob sich eigentlich jemand nicht am Krieg gegen die Benjaminiter beteiligt hatte und stellten fest, dass es da eine Stadt gegeben hatte, aus der kein einziger Soldat entsendet wurden. Aus irgendeinem irritierenden Grund hielt man es nun offenbar für gerecht, mit der Armee dorthin zu ziehen und alle Einwohner zu ermorden, also Männer, Frauen und Kinder.

Nur die jungfräulichen Mädchen wurden verschont und sogleich an die Benjaminiter vergeben, doch, so heißt es, „diese reichten für sie nicht aus.“ Womit die zweite Maßnahme in Angriff genommen wurde. Dafür überfielen die Benjaminiter schlicht ein Volksfest und raubten dort so viele Frauen, wie sie noch brauchten und „dann bauten sie ihre Städte wieder auf und wohnten darin.“ Damit ging der blutige Bürgerkrieg zu Ende, an dessen Anfang ein furchtbares Sexualverbrechen stand und an dessen Abschluss im Grunde auch.

(Fortsetzung folgt…)