Gideon hatte so viele Söhne, dass er sich womöglich nicht an jeden so genau erinnern konnte. Einen von ihnen hatte er jedenfalls Abimelech genannt und musste immerhin nicht mehr erleben, wie dieser sein Lebenswerk und (bis auf sich selbst und den jüngsten Sohn, der entkommen konnte) seine gesamte männliche Nachkommenschaft tötete. Bevor es zu dieser unfassbaren Bluttat kam, warb Abimelech bei den Männern seiner Heimatstadt um Unterstützung. Er fragte rhetorisch: „Was ist besser für euch: wenn siebzig Männer über euch herrschen oder wenn nur ein Mann über euch herrscht?“
Damit hatte er die Menge überzeugt, die ihm daraufhin die Schatzkammern ihres Baal-Tempels öffnete, damit er sich eine Armee zusammenstellen konnte. Die Söldner also, die die Söhne Gideons töteten, wurden mit Geld aus einem Baal-Heiligtum bezahlt. Einem Glauben, den Gideon erfolgreich verdrängt zu haben glaubte. Nachdem Abimelech durch den Mord an seinen Brüdern für Fakten gesorgt hatte und die Zahl der möglichen Herrscher nun auf blutige Weise deutlich reduziert war, ließ er sich zum König ausrufen.
Damit hatten die Israeliten erstmals einen Monarchen an ihrer Spitze, nachdem Gideon selbst eine solche Regierungsform für sich noch abgelehnt hatte. „Ich will nicht über euch herrschen“, hatte er zu Lebzeiten gesagt, als ihm die dankbaren Israeliten die Königswürden anboten und noch nachgeschoben, „der HERR wird über euch herrschen.“
Keine Angst, als siebzigfacher Brudermörder zu gelten, aber als jemand, den eine Frau getötet hat
Abimelech hatte niemand freiwillig eine Krone angeboten, er hatte sie durch Massenmord erzwungen und sollte auch immer nur über einen kleinen Teil der Israeliten herrschen. Seine Regentschaft kann auch nicht wirklich als Blütezeit bezeichnet werden. Er hatte mit schierer Gewalt seine Position erstritten, er verteidigte sie mehrere Jahre mit schierer Gewalt und er wurde schließlich mit schierer Gewalt gestürzt. Buchstäblich ein Gewaltherrscher.
Als erstes entzogen ihm ausgerechnet die Bewohner seiner Heimatstadt die Gefolgschaft, die ihn zuvor noch mit Geldern aus ihrem Baal-Heiligtum unterstützt hatten. Wobei Gott dabei offenbar eine wichtige Rolle spielte, da er „einen bösen Geist zwischen Abimelech und die Bürger von Sichem“ sendete. Wenn das Ziel darin bestanden hatte, dass nicht nur die Gefolgschaft aufgekündigt wird, sondern der glücklose König daraufhin die Stadt zerstört und ihre Bewohner tötet, hatte der Geist seine Mission erfolgreich ausgeführt.
In diesem Rahmen ließ Abimelech auch „etwa tausend Männer und Frauen“ bei lebendigem Leib verbrennen. Letztlich half ihm das alles aber nicht und als er eine weitere abtrünnige Stadt abstrafen wollte, warf ihm dort eine Frau einen Mühlstein auf den Kopf. Wobei ihr Geschlecht nur deswegen von Interesse ist, weil Abimelech nichts wichtiger war, als in seinen letzten Augenblicken einen Mann zu finden, der ihm den endgültigen Todesstoß versetzt, denn „man soll nicht von mir sagen: Eine Frau hat ihn umgebracht!“
Dass man von ihm sagen wird, dass er siebzig seiner Brüder heimtückisch ermordete und tausend Menschen verbrennen ließ, konnte ihn offenbar nicht aus der Ruhe bringen. Die Angst, dass eine Frau sein Leben beendete, aber schon. Letztlich fand sich jemand, der ihm ein Schwert in die Brust stieß und tötete, womit seine blutige Herrschaft nach drei Jahren blutig endete.
(Fortsetzung folgt…)