Dieser Teil der Jesus-Geschichte kommt so nur bei Lukas vor, da bei Matthäus aus der Familie schnell Flüchtlinge wurden und Markus es sich insofern leicht machte, weil er die Kindheit und Jugend von Jesus schlicht übersprang und ihn erstmals erwähnte, als er auf Johannes den Täufer trifft.

Lukas nun beschreibt, wie Jesus im Tempel alten Bräuchen entsprechend dem Herrn gezeigt und dazu eine Opfergabe dargebracht wurde. Im Tempel selbst griff sich der ebenso fromme wie offenbar übergriffige Simeon das Kind, ohne die Eltern zu fragen, und pries es als Christus, während er zugleich wusste, dass sich sein Leben damit seinem Ende näherte. Der Heilige Geist hatte ihm offenbart: „Er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe.“

Auch eine alte Prophetin mit Namen Hanna, die schon so lange im Tempel lebte, dass sie mancher womöglich schon für einen lebendigen Teil des Inventars gehalten hatte, näherte sich dem außergewöhnlichen Kind und erkannte in ihm ebenfalls den Retter für alle, „die auf Erlösung warten.“ Im Gegensatz zu Simeon hatte das für ihre weiteren Lebensplanungen allerdings keine Konsequenzen, und so ging diese Vierundachtzigjährige weiterhin dem Fasten und Beten nach, wie sie es schon seit so vielen Jahrzehnten in diesem Tempel tat.

Über das weitere Aufwachsen des Jesus steht auch bei Lukas wenig. An einer Stelle heißt es: „Das Kind wuchs heran und wurde stark“ und an einer anderen wird die Anekdote erzählt, wie Josef und Maria ihr Kind nach einem Besuch in Jerusalem aus den Augen verloren und es tagelang suchten, bevor sie es wohlbehalten im Tempel auffanden, wo es als Inbegriff eines altklugen Jungen mit den Gelehrten diskutierte, von denen es offenbar keinem seltsam vorkam, dass dieses Kind allein war.

Es ist nicht gerade eine unterhaltsame oder gar unbeschwerte Anekdote, aber immerhin auch keine voller Gewalt und Angst. Aus den wenigen Hinweisen lässt sich jedenfalls entnehmen, dass Jesus einigermaßen behütet aufwachsen konnte. In jedem Fall wird dieses Leben weniger hart gewesen sein als das von Flüchtlingen in Ägypten, das sie im Matthäus-Evangelium führten. Immer in der Angst, dass Häscher des paranoiden Königs Herodes sie aufspüren und töten könnten.

(Fortsetzung folgt…)