Wenige Tage später brach Maria zu einem Besuch bei Elisabeth auf, die nicht nur ebenfalls einen Sohn mit göttlicher Tatkraft in sich trug, sondern auch eine Verwandte war. Maria blieb etwa drei Monate bei ihr, und es ist vorstellbar, dass sie sich auch darüber ausgetauscht hatten, wie sie aus dem Nichts zu den Müttern zweier vom Himmel gesandter Retter wurden. Und so fand die außergewöhnlichste Doppelschwangerschaft über fast ein Vierteljahr hinweg unter dem gleichen Dach statt. Was auch bedeutet, dass sich Johannes und Jesus schon vor ihrer Geburt erstaunlich nahekamen und sich die Bäuche ihrer Mütter vielleicht mal aus Versehen berührten, wenn die Frauen ihren neuen Körperumfang unterschätzten.
Bevor Johannes geboren wurde, hatte Maria das Haus aber schon wieder verlassen und verpasste damit das kleine Wunder, das Zacharias widerfuhr. Nachdem die Verwandten erstaunt waren, dass das Kind Johannes heißen soll (sie plädierten für den Namen seines Vaters, also Zacharias), fand er seine Sprache wieder und setzte sie sofort auch dafür ein, dass es bei Johannes bleiben soll. Zugleich verkündete er für seinen Sohn auch schon einen Lebensweg, der ihn zu nicht weniger als dem „Propheten des Höchsten“ erklärte, womit er eine Erwartungshaltung formulierte, die kaum ehrgeiziger hätte ausfallen können.
Die Geburt Jesu – und hier gehen Matthäus und Lukas in zwei völlig verschiedene Richtungen – verlief deutlich turbulenter, woran die große Weltpolitik und dort genauer der römische Kaiser Augustus schuld hatte. Dieser verlangte, dass alle Bewohner des römischen Reichs in Steuerlisten eingetragen werden, wofür jeder Mann zu seinem Geburtsort reisen musste, um sich dort einzutragen. Da Josef nicht aus Nazareth, sondern aus Betlehem war, reiste er mit seiner hochschwangeren Frau dorthin.
Warum er sie nicht zu Hause ließ, nachdem er zuvor schon kein Problem damit hatte, dass sie über Monate hinweg bei ihrer Verwandten wohnte, ist nicht ganz nachvollziehbar. Jedenfalls kam es, wie es kommen musste, und Marias Wehen setzten ein, als sie gerade in Betlehem waren, wo es keine freien Plätze mehr in den Herbergen gab. Deswegen brachte Maria – laut Lukas – das Kind weder in ihrer heimischen Umgebung noch auf dem immer noch halbwegs weichen Bett einer Herberge zur Welt.
Ein Engel, womöglich Gabriel, begegnete daraufhin mehreren Hirten und verkündete ihnen, dass soeben der Retter geboren wurde. Zum Abschluss füllte sich der Himmel über den Hirten mit noch mehr Engeln, die allesamt den Herrn lobten. Ob die Hirten vielleicht aus Angst vor diesem nächtlichen Massenandrang über ihrem Feld zur Krippe eilten oder aus ehrlicher Ergriffenheit, ist nicht bekannt. Jedenfalls handelte es sich bei ihnen um die ersten Besucher der jungen Mutter und Josefs, der nicht der Vater war (später sollten sie aber noch auf ganz traditionelle Weise mehrere weitere Kinder bekommen).
Die Hirten erzählten weiter, was ihnen die Engel verrieten und was sie in der Krippe gesehen hatten: „Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde.“ Ebenfalls erstaunlich ist aber, dass trotzdem niemand auf die Idee kam, der jungen Familie einen gemütlicheren Platz als die kalte Scheune zu organisieren. Manche, auch die Hirten, kamen sogar mehrmals zur Krippe und fanden nicht, dass sie vielleicht einen angenehmeren Platz für die Familie suchen sollten.
(Fortsetzung folgt…)
