Barabbas wird bei Markus etwas genauer als Anführer eines Aufstandes beschrieben, der dabei mit anderen zusammen einen Mord begangen hat. Pilatus kommt in diesem Evangelium ohne die dramatische Handwaschung aus. Er durchschaut aber weiterhin das falsche Spiel der Priester und versucht zaghaft, es zu durchkreuzen. Letztlich interessiert er sich aber zu wenig für die innerjüdischen Kämpfe, um sich auf eine echte Konfrontation einzulassen.
Bei Simon, der das Kreuz für Jesus trug, handelte es sich offenbar um einen Bauern, jedenfalls „kam er gerade vom Feld“, als die Legionäre ihn zu diesem unerwarteten Hilfsdienst zwangen, der ihm ein Erlebnis einbrachte, das er mit wenigen teilen dürfte. Schließlich kehrten man für gewöhnlich nicht vom Ort zurück, zu dem man ein Kreuz auf seinem Rücken geschleppt hat.
Absolut uneindeutig wird das Verhalten der Römer kurz vor der Kreuzigung, denn bei Markus ist nun von Wein die Rede, der Jesus angeboten wurde, was keineswegs eine Schikane wäre wie die Galle, von der Matthäus spricht. In beiden Fällen bleibt es aber dabei, dass Jesus sich weigerte zu trinken.
Was bei Markus noch deutlicher herauskommt, ist die große Zahl an Frauen, die Jesus gefolgt waren. Weil er keine einzige davon in seinen Kreis der zwölf Jünger aufgenommen hatte, gehen sie beim Blick auf seine Wundertaten und Predigen leicht unter. Dabei bleiben sie ihm treu, als jene Jünger längst geflohen waren. „Auch einige Frauen sahen von Weitem zu, darunter Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus dem Kleinen und Joses, sowie Salome; sie waren Jesus schon in Galiläa nachgefolgt und hatten ihm gedient. Noch viele andere Frauen waren dabei, die mit ihm nach Jerusalem hinaufgezogen waren.“
Die größten Unterschiede in den beiden Evangelien gibt es ausgerechnet beim wichtigsten Ereignis selbst, der Auferstehung. Der reiche Mann, der Jesus begraben will, bittet Pilatus um den Leichnam, woraufhin dieser erstaunt ist, dass Jesus schon tot sei. Er holte sich erst die Bestätigung seiner Legionäre, dass dem so ist, bevor er die Leiche freigab. Seine Reaktion zeigt auch, dass schon der Moment des Todes sehr verschieden ausgeschmückt wird. Bei Matthäus scheint die Welt wortwörtlich zu wackeln, es kommt zu Erdbeben und Felsen werden geteilt. Außerdem geht der Vorhang im Tempel in zwei Teile, was aber im allgemeinen Chaos nur die wenigsten bemerkt haben dürften.
Bei Markus ist dieses zerrissene Stück Stoff schon alles, was der Tod Jesu ausgelöst hat. Nur deswegen konnte Pilatus überhaupt so überrascht sein, denn es gab keine Erdbeben und sonstige Erschütterungen der Erde, der Stadt, der Welt oder des gesamten Kosmos. Es gab auch keine Priester, die befürchteten, dass der Leichnam von seinen Jüngern aus dem Grab gestohlen werden könnte, um so die Legende der Auferstehung verbreiten zu können. Darum fehlten auch die Wachen vor der Felsenhöhle, die durch einen schweren Stein verschlossen wurde.
Es waren Maria aus Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus und Salome, die am dritten Tag zum Felsen gingen und als erste bemerkten, dass der Stein zur Seite geschoben worden war. Im Grab selbst saß ein junger Mann, der ein weißes Gewand trug. Ob es sich dabei um den Engel handelt, dessen Aussehen Matthäus noch recht prägnant als „Blitz“ beschrieb, ist nicht klar. Vielleicht handelte es sich auch um jenen sonderbaren Kerl, der im Rahmen der Verhaftung Jesu nackt davonlief.
In jedem Fall war Jesus eindeutig nicht mehr im Grab. Dieser junge Mann nun, der dort gesessen hatte, trug den beiden Frauen auf: „Geht und sagt seinen Jüngern und dem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.“ Und tatsächlich gingen die beiden Frauen, aber sie fanden diese ganze Begegnung so unheimlich, dass sie niemanden etwas erzählten.
(Fortsetzung folgt…)