Als nun die aufgeregten Feinde mit ihrem Gefangenen und einem ganz offensichtlich konstruierten Vorwurf der Gotteslästerung vor Pilatus traten, durchschaute dieser sofort ihr falsches Spiel. Dass Jesus davon nicht profitierte, lag jedoch an drei Dingen. Zum einen interessierte es den Statthalter schlicht nicht, ob der Vorwurf der Gotteslästerung wirklich berechtigt war. Zum zweiten hatte er kein besonderes Interesse daran, diesem Heiler und Prediger zu helfen, der durchs Land zog und für Ärger sorgte. Und drittens, weil er sich mit der Priesterklasse nicht ohne Not anlegen wollte.

Dass Jesus im Verhör durch den Statthalter auch keinen Versuch unternahm, seine Unschuld zu beweisen, und die Fragen des Pilatus nur knapp und die der Hohenpriester gar nicht beantwortete, machte die Angelegenheit auch nicht einfacher für ihn.

Bemerkenswerterweise startete dieser aber doch noch einen Versuch, Jesus zu retten. Zum Pessachfest wurde jedes Jahr ein Gefangener aus der Haft entlassen, den das Volk befreit sehen wollte und da sich die Menge schon vor dem Regierungssitz des Pilatus eingefunden hatte, wollte er sie nun entscheiden lassen. Zur Auswahl standen ein Jesus Barabbas – bei dem es sich recht unbestimmt um eine „berüchtigte Person“ handelte – oder eben dieser eigenartige Heiler, der sich für Gottes Sohn hielt. Aufgrund massiven Drucks, den die Hohepriester und Ältesten auf das Volk ausübten, überstanden sie aber auch diese letzte Schrecksekunde und die „berüchtigte Person“ wurde freigelassen, während die aufgehetzte Menge für Jesus forderte: „Ans Kreuz mit ihm!“

An dieser Stelle erwachte dann aber doch der Gerechtigkeitssinn des Pilatus und er entgegnete: „Was für ein Verbrechen hat er denn begangen?“ Als Antwort hörte er aber nur immer wütendere „Ans Kreuz mit ihm!“-Rufe, während die Menge sich langsam in einen Mob verwandelte.

Nachdem Pilatus bemerkte, dass er nicht mehr zum Volk durchdrang, ließ er es bleiben und begnügte sich mit einer letzten Geste, die seine Verachtung für diesen Vorgang zeigen sollte. Für diese wusch er seine Hände und rief: „Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen. Das ist eure Sache!“

Seine Legionäre griffen Jesus danach und demütigten ihn in ihrem Feldlager. Da er sich als König bezeichnete, zogen sie ihn aus und legten ihm einen purpurroten Mantel um, setzten ihm eine Dornenkrone auf und überreichten ihm einen Stock. Danach fielen sie auf die Knie und riefen: „Sei gegrüßt, König der Juden!“ Danach verprügelten sie Jesus und spuckten ihn an, bevor er wieder angezogen wurde und das eigentliche Martyrium erst begann. Da er offenbar – vielleicht wegen der körperlichen Übergriffe verletzt – Probleme damit hatte, sein Kreuz bis zum Hinrichtungsort Golgota zu schleppen, forderten die Legionäre einen zufällig am Rand stehenden Mann mit Namen Simon auf, dieses für Jesus zu tragen.

(Fortsetzung folgt…)