Eine Premiere! Zum ersten Mal, seit das Volk aus Ägypten auswandert ist, hat es eigenes Land erobert. Im Ostjordantal. Es folgten eine Reihe weiterer Schlachten und offenbar kämpften die Israeliten ebenso gut wie gnadenlos, da es heißt: „Da erschlugen die Israeliten Og und seine Söhne und sein ganzes Volk; keiner von ihnen konnte entrinnen.“ Vielleicht war es auch der angestaute Frust vieler Monate unter der sengenden Wüstensonne, der sie mit so viel Brutalität vorgehen ließ. Immerhin hatten sie auch selbst auf ihrer Reise viel Brutalität erfahren.
Noch kurz vor den ersten militärischen Siegen tötete Gott viele Israeliten, weil er ihre ewige Jammerei nicht mehr ertrug. (Nein, auch wenn es zeitlich passen würde, handelt es sich dabei nicht um den Vorfall, bei dem er gleich 14.000 Mann umbrachte, sondern um einen anderen.) Es ging, wie so oft auf der Reise, um das Essen. „Es gibt weder Brot noch Wasser und es ekelt uns vor dieser elenden Nahrung“, meinte das Volk, wobei sich der Ekel auf das Manna bezog, das Gott zur Verfügung stellte. Er hatte schon einmal empfindlich reagiert, als seine geheimnisvolle Rezeptur kritisiert wurde und er reagierte erneut empfindlich. Nachdem zusätzlich auch wieder die Verklärung Ägyptens einsetzte, reichte es ihm endgültig und er ließ Feuerschlangen auf die Leute los „und viel Volk aus Israel starb“.
Womöglich konnte er die Schlangen nicht mehr stoppen, nachdem sie erst mal ihrer tödlichen Bestimmungen nachgingen, denn als die Israeliten schließlich zermürbt einsahen, dass sie einen Fehler gemacht hatten, rief er die Kriechtiere nicht etwa zurück, was naheliegend gewesen wäre, sondern stellte stattdessen eine Art Heilmittel zur Verfügung: Eine Stange, an deren Spitze ein Feuerschlangensymbol hing. Wer dort hinschaute, wurde wieder gesund.
Es wundert nicht, dass die ebenso erfolgreichen wie gnadenlosen Vorstöße der Israeliten für Schrecken unter den anderen Völkern sorgten. Vor allem unter denen, die fürchten mussten, als Nächstes in einen Konflikt mit ihnen zu geraten. Ganz besonders große Sorgen machte sich dabei König Moab, der auf Nummer sicher gehen wollte und mit Bileam einen Propheten seines Volkes beauftragt, die Israeliten zu verfluchen. Das ging gründlich schief, woran Gott und eine sprechende Eselin ihren Anteil hatten.
Wenn sprechende Esel überforderte Propheten beschimpfen
Als der Prophet nämlich auf seinem treuen Lasttier zum König reiten wollte, erkannte dieses einen Engel mit gezücktem Schwert vor sich auf dem Weg stehen. Verständlicherweise „wich es ins Feld“ aus, wofür es Schläge vom Propheten Bileam gab. Sie setzten danach die Reise fort und erneut erschien diese unheimliche Gestalt, die nur das Tier, nicht aber der Mensch sehen konnte. Dieses Mal drückte es sich an eine Mauer und verletzte dabei den Propheten am Bein. Es gab erneut Schläge. Das wiederholte sich nochmals, als die Eselin „in die Knie“ ging, um einen Zusammenstoß mit dem bewaffneten Fremden zu vermeiden. Daraufhin „öffnete Gott der Eselin den Mund“ und sie schimpfte natürlich sofort in Richtung Bileam los: „Was habe ich dir getan, dass du mich jetzt schon zum dritten Mal schlägst?“
Der Prophet, den es offenbar nicht sonderlich erstaunte, wer da plötzlich mit ihm sprach, war sich keines Fehlers bewusst. Im Gegenteil: „Weil du mich verhöhnst. Hätte ich ein Schwert dabei, dann hätte ich dich jetzt schon umgebracht.“ Doch die Eselin dachte gar nicht daran, klein beizugeben und konterte: „Bin ich nicht deine Eselin, auf der du seit eh und je bis heute geritten bist? War es je meine Gewohnheit, mich so zu benehmen?“ Daraufhin fiel dem Propheten nichts mehr ein, außer ein kleinlautes „nein“, womit die Eselin mit ihren ersten und letzten Worten auf dieser Erde sogleich eine Diskussion gewonnen hatte, was eine durchaus bemerkenswerte Leistung ist.
Nachdem die Verhältnisse zwischen ihnen damit geklärt waren, war da immer noch der Engel mit seinem Schwert, der plötzlich den Tierfreund in sich entdeckte. Empört fragte er Bileam, der ihn nun auch sehen konnte: „Warum hast du deine Eselin dreimal geschlagen?“ Durch diesen überirdischen Gegner vollkommen verängstigt, entschuldigte er sich und wollte schon gar nicht mehr zu seinem Termin beim König erscheinen. Doch der Engel hatte andere Pläne mit ihm. Er sollte unbedingt weiterreisen, aber dem Monarchen nur genau das sagen, was der Engel ihm einflüstert. Gott hatte damit eine der wichtigsten Autoritäten der Moabiter umgedreht. Mit den Mitteln, zu denen auch Geheimdienste greifen – und die Mafia.
So eingeschüchtert sprach der Prophet keinen Fluch über die Israeliten aus, sondern einen Segen. Genaugenommen macht er das sogar dreimal zu drei verschiedenen Anlässen, weswegen der fassungslose König Moab schimpfte: „Wenn du sie schon nicht verfluchst, dann segne sie doch wenigstens nicht“ und erinnerte ihn an seinen Auftrag: „Ich habe dich gerufen, damit du meine Feinde verwünschst, siehe, du aber hast sie schon dreimal gesegnet.“ Bevor der Prophet schließlich fortgeschickt wurde, brachte ihn Gott auch noch dazu, dem König ungefragt seine düstere Zukunft zu offenbaren.
Der Tod eines Liebespaares besänftigt den HERRN
Dabei fielen Sätze wie: „Ein Stern geht in Jakob auf/ Ein Zepter erhebt sich in Israel/ Er zerschlägt Moab die Schläfe/ und allen Söhnen Sets den Schädel.“ Auch wenn es eine etwas umständlich formulierte Drohungen war, so ließ sie dennoch keine Fragen offen. Selten dürfte ein Prophet, der nur zum Zwecke einer routinemäßigen Verfluchung des Feindes eingeladen wurde, die Erwartungen seiner Auftraggeber mehr enttäuscht haben als Bileam. Kein Wunder, dass sich König Moab weigerte, die erbrachte Dienstleistung zu bezahlen.
Überhaupt machte es zum damaligen Zeitpunkt den Eindruck, als ob sich die Israeliten nur selbst schlagen könnten. Zum Beispiel dadurch, dass sie ihren Gott durch den Abfall vom Glauben erzürnen. Und genau das taten sie dann auch prompt. Gott hatte am Berg Sinai sehr genau erklärt, wie wenig Toleranz er in Sachen andere Götter, Polytheismus und Co. hat. Er hatte sogar Menschen getötet, die seinen Vorstellungen nicht teilten und Menschen hatten Menschen getötet, die seine Vorstellungen nicht teilten. Das erste Gebot stellte es auch eindeutig fest: keine Götter neben mir!
Trotzdem vergnügten sich die Israeliten nun mit den Frauen anderer Völker, und nahmen mit Begeisterung an deren religiösen Ritualen teil. Das war zu viel für Gott und er schickte eine Plage gegen sein Volk, so wie er einst Plagen gegen die Ägypter geschickt hatte. Was er genau einsetzte, ist unbekannt, aber es war vermutlich heftiger als eine Froschplage oder ein paar Tage Finsternis, denn insgesamt raffte es 24.000 Männer dahin. Die Plage kam erst an ihr Ende, als ein frisch verliebter Israelit mit seiner Freundin, einer Midianiterin, am Zelt Gottes vorbeischlenderte, wo die Ältesten mitsamt Moses Krisenrat hielten.
Als ein junger Priester dieses Paar bemerkte, griff er sich spontan einen Speer und durchbohrte erst den Israeliten und dann die Midianiterin, woraufhin die Plage ihr Ende fand. Gott gefiel diese resolute Art, mit Abweichlern umzugehen, so sehr, dass er den Doppelmörder mit dem ewigen Priesterbund belohnte, der ein wenig überraschend Friedensbund hieß. Bei dem jungen Mann handelte es sich übrigens um den Enkel von Aaron, der einst selbst durch den Bau des Goldenen Kalbs den Abfall vom Glauben gefördert hatte und von einem Mann mit den Prinzipien seines Nachkommens dafür erstochen worden wäre.
Nachdem nun dem ersten Gebot wieder Geltung verschafft war, sollten die militärischen Eroberungen weitergehen. Gott persönlich gab die Richtung vor: „Greift die Midianiter an und schlagt sie!“
Fortsetzung folgt…