Wie wichtig es Gott mit dem Wiederaufbau seines Tempels war, zeigt auch die Tatsache, dass er neben Haggai mit Sacharja einen weiteren Propheten damit betraute, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen. Sacharja hat zugleich die vielleicht größte Zahl an Visionen in der kürzesten Zeit erhalten, nämlich nicht weniger als acht in einer einzigen ereignisreichen Nacht.
Er sah einen Mann auf einem roten Pferd, hinter dem rotbraune, fuchsrote und weiße Pferde standen. Ein Engel, der ebenfalls in der Vision auftauchte, erklärte Sacharja, was es mit den Tieren auf sich hat: „Das sind die, welche der HERR gesandt hat, damit sie die Erde durchziehen.“ Warum und wofür sie das taten, ging aus diesen Worten nicht hervor, jedoch rief der Engel direkt danach Gott an und fragte etwas, was womöglich seit Jahrzehnten hätte angesprochen werden sollen: „Wie lange versagst du noch Jerusalem und den Städten Judas dein Erbarmen, denen du nun siebzig Jahre zürnst?“ Gott antwortete „in freundlichen Worten, Worten voll Trost“, dass er sich „voll Erbarmen wieder Jerusalem zuwendet“, wo man seinen Tempel erneuern würde.
Vision zwei präsentierte vier Hörner, auf die vier Schmiede folgten, die die Hörner niederwarfen, die offenbar für die Besetzung Israels durch fremde Nationen standen. In Vision drei trat ein Mann auf, der mit einer Messschnur Jerusalems Länge und Breite vermaß, bevor in Vision vier der Satan auftaucht, der sich damit zum ersten Mal seit jener moralisch höchst zweifelhaften Wette auf Kosten Hiobs einmischt. Nun klagte er einen Hohepriester mit Namen Jehoschua an, ohne dass die Gründe dafür bekannt wurden, die auch im weiteren Verlauf der Vision nicht enthüllt werden, da der Engel zu Satan nicht viel mehr sagt, außer: „Der HERR weise dich in die Schranken“, bevor Satan sich fügt und seinen Kurzauftritt damit beendet.
Der Hohepriester bekommt danach angekündigt, dass er beste Aussichten hat, den Tempel nach seiner Wiedereröffnung zu führen. Vision fünf erregt mit einem goldenen Leuchter für Aufsehen, der mit allerlei Verzierungen und Lampen ausgestattet ist, die für eine Vision erstaunlich kompliziert miteinander verwoben sind, wie diese Erkundigung Sacharjas schon erahnen lässt: „Was bedeuten die beiden fruchttragenden Zweige der Ölbäume bei den beiden goldenen Röhren, die das goldene Öl von innen herab ausgießen?“ Es sollte sich herausstellen, dass diese für die beiden Gesalbten stehen, „die vor dem Herrn der ganzen Erde stehen.“ Außerdem erblickte der Prophet auch einen Stein mit sieben Augen, bei denen es sich um die Augen des HERRN handelte, die „über die ganze Erde schweifen“, wobei diese Erklärung mehr Fragen aufwirft als beantwortet.
In Vision sechs flog eine Schriftrolle vorüber, die als „Fluch“ vorgestellt wurde, aber noch genauer „Rache“ oder „Bestrafung“ heißen könnte, da sie jene heimsucht, die schwere Sünden begangen haben. Am Beispiel eines Diebes erläutert der Engel, was passieren wird: „Der Fluch wird im Inneren seines Hauses bleiben und wird es vernichten, samt Holz und Stein.“ Vision sieben zeigte die Ruchlosigkeit, personifiziert durch eine Frau, die in ein Fass eingesperrt war, das von zwei anderen Frauen mit „Flügeln wie Storchenflügel“ gepackt und ins Land Schinar gebracht wurde, wo der Ruchlosigkeit ein Tempel errichtet wird, was vermutlich nicht für diese Stadt spricht, ohne ansonsten etwas über sie zu wissen. Vision acht schließlich zeigte dem Propheten vier himmlische Streitwagen, die für die vier Winde des Himmels stehen.
Nach diesem Visionen-Marathon in nur einer einzigen Nacht, sollte Sacharja dem in den Visionen vorgekommenen Hohepriester eine Krone aufsetzen, bevor Gott erneut seinen Entschluss bestätigte, sich nach sieben Jahrzehnten einer frostigen Beziehung zu seinem Volk wieder ganz auf eben dieses einzulassen: „Ich bin nach Zion zurückgekehrt / und werde wieder in der Mitte Jerusalems wohnen.“ Dabei räumt er freimütig ein, dass es sich bei diesem Entschluss um eine beachtliche Kehrtwende handelte: „Wie ich plante, euch Böses zu tun, weil eure Väter mich erzürnten, und es mich nicht reute, so habe ich umgekehrt in diesen Tagen geplant, Jerusalem und dem Haus Juda Gutes zu tun. Fürchtet euch nicht!“
Man sollte nie unterschätzen, wie sehr der Bau eines Tempels die Stimmung Gottes aufhellen kann, die zuvor über viele Jahre mürrisch und verstimmt blieb.
(Fortsetzung folgt…)