Haggais großes Projekt als Prophet bestand darin, sich für den Wiederaufbau des Tempels einzusetzen. Dass er dafür überhaupt gebraucht wurde, spricht nicht gerade für die große Gottesnähe, die das jüdische Volk damals vorzuweisen hatte. Der HERR hatte nämlich auf gar nicht mal so subtile Weise seine Unzufriedenheit darüber gezeigt, dass sein Haus nicht längst wieder hergerichtet wurde, und das, obwohl der Perserkönig Kyrus schon vor achtzehn Jahren die nötige Erlaubnis dafür erteilt hatte.
Nun also schickte der HERR seinen Tempelbau-Propheten zum Statthalter und dem Hohepriester und stellte sogleich klar, dass ab sofort ein anderer Ton in Sachen Gotteshaus herrschte: „Ist etwa die Zeit gekommen, / dass ihr in euren getäfelten Häusern wohnt, / während dieses Haus in Trümmern liegt?“, fragte Haggai rhetorisch. Danach erklärte er den beiden Männern, die offenbar vor Schreck und Angst nichts erwiderten, dass die Hungersnöte und die schlechte Lebensqualität, unter denen das Volk zu leiden habe, kein Zufall seien: „Ihr sät viel und erntet wenig; / ihr esst und werdet nicht satt; / ihr trinkt, aber zum Betrinken reicht es euch nicht; / ihr zieht Kleider an, aber sie halten nicht warm / und wer etwas verdient, verdient es für einen löchrigen Beutel.“ Gott selbst sei dafür verantwortlich, klärte er sie auf, und begründet auch, warum: „Weil mein Haus in Trümmern liegt / während jeder von euch für sein eigenes Haus rennt.“
Nachdem sie nun darauf gestoßen wurden, was nicht stimmte, machten Statthalter und Hohepriester das einzig Vernünftige und ließen mit den Bauarbeiten am Tempel beginnen. Doch der HERR schien nicht ganz überzeugt von dem, was sich da aus den Ruinen erhob, und fragte, ob es noch Zeitzeugen des ersten Tempels geben würde, nur um dann doch selbst aufzulösen, dass dieser neue im Vergleich zum einst zerstörten „wie ein Nichts erscheint“. Jedoch machte er Hoffnung, dass sich das noch ändern wird.
Spätestens nämlich, wenn er „den Himmel und die Erde/ das Meer und das Festland“ erbeben lasse, würden die dadurch verängstigten Nationen ihre Schätze zum Tempel bringen. Woher sie wissen sollten, dass sie auf dieses angekündigte Weltenbeben damit zu reagieren haben, all ihre Schätze nach Jerusalem zu tragen, wird zumindest aus dieser kurzen Vorschau Gottes nicht ersichtlich. Sollte aber alles so kommen, wie er es plant – was bei Plänen eines allmächtigen Gottes nicht weiter überraschen sollte -, wird „die künftige Herrlichkeit dieses Hauses größer sein als die frühere.“
(Fortsetzung folgt…)