Erneut wiederholt sich das obige Muster. Gott klagt die Sittenlosigkeit an, denn „es gibt keine Treue und keine Liebe / und keine Gotteskenntnis in diesem Land“, weswegen alles verdorren soll. Wobei er damit wirklich alles meint. Nicht nur die Menschen, sondern auch die „Tiere des Feldes“, die Vögel und sogar die Fische, die Gott sogar während der Sintflut verschont hatte. Er nimmt sich auch die Priester vor, die das Volk nicht im Glauben unterrichtet hätten, weswegen er sie mit Straßenräubern vergleicht. Neben den Priestern geht er auch mit den Königen hart ins Gericht, die zwar fallen, aber nicht mal dann „zu mir rufen“.
Er klagt an, dass „sein Volk“ sich lieber Rat von einem Stück Holz erhofft, als von ihm, wobei das Holz dabei für Götzenfiguren steht. Außerdem hält er das Königreich Israel für tiefer gefallen als das Königreich Juda.
Auffällig ist, dass Gott an dieser Stelle ungewöhnlich viel mit Vergleichen arbeitet. Seinen Groll gießt er „wie Wasser“ aus, er ist „wie Eiter“, „wie Fäulnis“ oder auch „wie ein junger Löwe“ gegenüber seinen untreuen Israeliten. Besonders unversöhnlich geht er mit dem Stamm Efraim um, den er mit einem Brot vergleicht, „das nicht gewendet worden ist“, bevor er ihm unterstellt, für Liebesdienste zu bezahlen und Opfertiere selbst zu essen, statt sie ihm zu weihen. Er spricht sogar davon, diesen Stamm „hassen gelernt“ zu haben und ihre Kinder zu töten, wenn sie geboren werden.
Zugleich scheint zwischen all diesen Drohungen und Worten bitterster Enttäuschung auch immer wieder eine erstaunliche Empfindsamkeit durch, wenn er etwa klarstellt: „An Liebe habe ich Gefallen, nicht an Schlachtopfern“. Auch wenn dieses Bekenntnis etwas verloren neben allerlei Bestrafungs- und Vernichtungsankündigungen steht, ist es doch bemerkenswert. Zumal sich zum Abschluss seiner wüsten Drohungen tatsächlich wieder die Hoffnung durchsetzt, mit seinem Volk in eine bessere Zukunft blicken zu können. Weswegen nach all den Verwünschungen ein erstaunlicher Sinneswandel folgt, als der HERR sich selbst fragt: „Wie könnte ich dich preisgeben, Efraim, / wie dich ausliefern, Israel?“
Ja, es scheint sogar so, als plagte ihn nach all seiner Wut ein schlechtes Gewissen, denn er schob nach: „Gegen mich selbst wendet sich mein Herz, heftig entbrannt ist mein Mitleid. Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken“ und schließlich besinnt er sich und erkennt, dass seine vorherigen Drohungen nicht seinen eigenen Ansprüchen entsprechen: „Ich bin Gott, nicht ein Mensch, / der Heilige in deiner Mitte. / Darum komme ich nicht in der Hitze des Zorns.“ Erstaunlich versöhnlich klingen darum auch seine Schlussworte: „Ich lasse sie wieder in ihren Häusern wohnen.“
(Fortsetzung folgt…)