Offenbar nahmen die Visionen Daniels im Alter zu, denn nun folgte eine weitere, in der ein Widder mit zwei verschieden langen Hörnern alle anderen Tiere besiegte, bis ein Ziegenbock „vom Westen her die ganze Erde überquerte“ und eigentlich auch ein Einhorn sein könnte, da er „ein auffallendes Horn zwischen den Augen“ hatte.
Dieser scheinbar harmlose Gegner brach dem Ziegenbock erst die Hörner ab. Daraufhin machte der Ziegenbock einige Veränderungen durch, denn sein Horn wurde sogleich von vier neuen ersetzt, die sich etwas unpraktisch in alle vier Himmelsrichtungen entwickelten. Aus einem der Hörner wuchs wiederum erneut ein Horn, das zwar keine Augen hatte und nicht reden konnte wie das „anmaßende Horn“ in der ersten Vision, aber dafür nicht mehr zu wachsen aufhörte.
Schließlich erreichte es sogar das Himmel „und warf einige Sternen zur Erde herab und zertrat sie.“ Der Ziegenbock zertrat also ganze Sonnen unter seinen Hufen, während vor seinem Gesicht ein groteskes Hornungetüm immer weiter wuchs und wuchs.
Während Daniel sich dieses Schauspiel fassungslos ansah, schrie jemand in der Vision „Gabriel, erklär ihm die Vision!“, woraufhin eben jener Erzengel Gabriel zu Daniel trat und dieser Aufforderung folgte. Allerdings musste er zwischendurch unterbrechen, denn sein Zuhörer war in Gegenwart dieser himmlischen Instanz in Ohnmacht gefallen. Als er sich wieder so weit gefasst hatte, wurde der Widder zum König von sowohl Medien als auch Persien erklärt, also jenem Reich, für das Daniel als hoher Beamter diente.
Der Ziegenbock herrschte über das Königreich Jawan, das in vier Reiche geteilt wird, von denen eines „mächtig und stark wird und ungeheures Verderben anrichten wird“ (womit jenes Horn gemeint ist, das aus einem anderen Horn erwachsen ist und gar nicht mehr aufhören wollte zu wachsen). Letztlich wird der Ziegenbock zwar unter Menschen und Heiligen fürchterlich wüten, aber schließlich doch zerschmettert werden.
Und als ob Visionen nicht ohnehin schon eine besondere Belastung darstellten, verlangte Erzengel Gabriel noch, dass er das gerade erfahrene für sich behalten soll und das mit der etwas sonderbaren Begründung, dass diese Vision sich „auf eine ferne Zeit bezieht“. Womit sich die Frage stellt, warum Daniel sie dann überhaupt gezeigt bekam.
(Fortsetzung folgt…)