Daniels erste Bewährungsprobe stand an, als Nebukadnezar von einem Traum so beunruhigt war, dass er schnell eine Deutung verlangte. Dafür rief er seine Wahrsager, Beschwörer und Chaldäer zusammen, die jedoch allesamt keine angemessene Deutung vorlegen konnten.
Aus dem einfachen Grund, weil Nebukadnezar sich schlicht weigerte, ihnen seinen Traum zu erzählen. Das wäre für sich genommen schon ein sehr exzentrisches Verhalten, doch es wurde zusätzlich dadurch lebensgefährlich, dass der König seine überforderten Berater wissen ließ: „Wenn ihr mir nicht den Traum und seine Deutung sagen könnt, dann werdet ihr in Stücke gerissen und eure Häuser werden in Schutthaufen verwandelt.“
Es kam zu einem zunehmend verzweifelten Versuch der Berater, dem Herrscher die Unmöglichkeit seiner Forderung begreiflich zu machen und ihn an den üblichen Ablauf zu erinnern, laut dem ein Traum erst erzählt werden muss, bevor er gedeutet werden kann. Um ihn daran zu erinnern, dass es nicht an ihnen liegt, erwähnten sie außerdem: „Es gibt auch sonst niemand, der dem König sagen könnte“, was er geträumt hat. Niemand, „außer den Göttern.“
Der König sah es aber weiterhin völlig anders und wurde so wütend, „dass er befahl, alle Weisen in Babel umzubringen.“ Damit erhielt dieser gescheiterte Traumdeutungstermin auch für Daniel eine überragende Bedeutung, der ebenfalls zu den „Weisen“ zählte. Wie schon beim geänderten Ernährungsplan übernahm er auch jetzt die Initiative und sprach den Anführer der königlichen Leibwache an, was denn der Grund für diese harte Bestrafung sei. Als er ihn kannte, ging Daniel zum König und bat ihn um eine kleine Frist, in der er sowohl den Traum herausfinden würde als auch eine entsprechende Deutung vorlegen könnte. Dass es für alle wesentlich leichter wäre, wenn Nebukadnezar sich einfach am Menschenmöglichen orientieren würde, zu dem nicht gehört, die Träume anderer erraten zu können, behielt er dabei für sich.
Als er seine Frist erhielt, betete Daniel zusammen mit seinen drei Freunden zu Gott und bat darum, dass weder sie noch die anderen Weisen von Babel sterben müssen. Tatsächlich enthüllte der HERR ihm daraufhin in einer Vision den Traum des Königs und lieferte auch gleich die passende Deutung mit. Daniel, der von Nebukadnezzar auch den Namen Beltschazzar erhalten hatte, trat also vor ihn hin und setzte zu einem Monolog an, der den Mord an den Weisen Babels verhinderte: „Du sahst ein gewaltiges Standbild. Es war groß und von außergewöhnlichem Glanz; es stand vor dir und war furchtbar anzusehen.
An diesem Standbild war das Haupt aus reinem Gold; Brust und Arme waren aus Silber, Rumpf und Hüfte aus Bronze. Die Beine waren aus Eisen, die Füße aber zum Teil aus Eisen, zum Teil aus Ton. Du sahst, wie ohne das Zutun von Menschenhand sich ein Stein von einem Berg löste, gegen die eisernen und tönernen Füße des Standbildes schlug und sie zermalmte. Da wurden Eisen und Ton, Bronze, Silber und Gold mit einem Mal zu Staub. Der Stein aber, der das Standbild getroffen hatte, wurde zu einem großen Berg und erfüllte die ganze Erde“, erklärte Daniel und hatte damit den Traum beschrieben, den Nebukadnezar gehabt hatte, den er zwar nicht erzählen wollte, aber trotzdem eine Deutung verlangte.
(Fortsetzung folgt…)