Gerade eben machte es noch den Eindruck, dass Gott die anderen Völker vernichten will, um damit den Juden zu zeigen, wie viel sie ihm bedeuten. Doch nun deutet sich auf einmal eine ganz andere Motivation an, die die Juden zu Nebenfiguren macht und Gottes Sorge um seinen Ruf in den Mittelpunkt stellt. Nachdem der HERR nämlich sein Volk aus Kanaan vertrieben hatte und unter den Völkern der Welt zerstreute, passierte etwas, was er nicht bedacht hatte. „Das ist das Volk des HERRN und doch mussten sie sein Land verlassen“, erzählten sich die Menschen dieser anderen Völker, was Gott nachdenklich stimmte, denn: „Da tat mir mein heiliger Name leid den das Haus Israel bei den Nationen entweihte, wohin es auch kam.“

Wie sehr ihn dieses Thema umtrieb, machte seine Ansprache an die Juden deutlich, in der er klarstellte: „Nicht euretwegen handle ich, Haus Israel, sondern um meines heiligen Namens willen, den ihr bei den Nationen entweiht habt, wohin ihr auch gekommen seid. Meinen großen, bei den Nationen entweihten Namen, den ihr mitten unter ihnen entweiht habt, werde ich wieder heiligen.“ Es bleibt für immer ein Rätsel, ob ein Abraham oder Moses den Mut gehabt hätten, ihn an seine Mitverantwortung für diese Entweihung zu erinnern, schließlich hatten sich die Juden nicht freiwillig vertreiben lassen, sondern wurden von Feinden verschleppt, die der HERR selbst dazu angeleitet hatte. Andernfalls hätte das „Volk des HERRN“ sein Land nicht verlassen müssen und die anderen Nationen hätten keinen Grund zum Lästern gehabt.

Aus eben diesem Grund sieht Gottes Plan zur Wiederherstellung seines entweihten Namens so aus, dass er sein Volk schlicht wieder in „sein Land“ zurückholt, wo er es von aller Unreinheit säubern will und sich auch sonst bemühen möchte, aus dem längst zu Ödnis gewordenen Gebiet einen „Garten Eden“ zu machen. Wozu ein Ende von Hungersnöten ebenso gehört wie ein Wideraufbau der Städte und eine starke Vermehrung der Bevölkerung. All das, damit das Gerede „der Nationen“ aufhört, der Name des HERRN wieder heilig wird und die Juden erkennen, dass er ihr Gott ist. Damit aber keine Missverständnisse entstehen, warum er sich solche Mühe macht, stellte er nochmals fest: „Nicht euretwegen handle ich so, das soll von euch erkannt werden. Schämt euch und vergeht vor Scham wegen eurer Wege, ihr vom Haus Israel!“

Doch neben denen, die für diese Vision erst ins Land zurückkehren müssen, gibt es noch jene, die es nie verlassen haben. Jene „Nichtverschleppten“ haben aufgrund ihrer Selbstgerechtigkeit ebenfalls den Zorn Gottes auf sich gezogen, da sie eine völlig falsche Sicht auf ihre Situation und das Land hätten, das sie in Ruinen bewohnen: „Einer nur war Abraham und er nahm das Land in Besitz“, lautet ihre Argumentation, „wir aber sind viele. Umso mehr ist das Land uns zum Besitz gegeben.“ Doch Gott kann man mit einer solchen Taschenspieler-Rhetorik nicht überlisten und so lässt er seinen Propheten poltern: „Ihr esst Fleisch mitsamt dem Blut, ihr blickt zu euren Götzen auf und vergießt Blut. Und ihr wollt das Land in Besitz nehmen?“ Wobei er noch nachlegt: „Ihr begeht Gräueltaten und einer schändet die Frau des anderen. Und ihr wollt das Land in Besitz nehmen?“

Bevor Gott sein Urteil über die Nichtverschleppten spricht, lässt er sie schon mal wissen: „Wer in den Ruinen ist, fällt unter dem Schwert, wer auf dem freien Feld ist, den werfe ich den wilden Tieren zum Fraß vor, und wer sich in den Burgen und Höhen aufhält, stirbt an der Pest.“ Außerdem stellt er zornig fest, dass dem Volk der Prophet Ezechiel eine „wohlklingende Stimme und ein schönes Harfenspiel“ sei, dass sie aber nicht auf ihn hören würden. Wobei nicht klar ist, ob sich diese Kritik gegen das Volk oder gegen Ezechiel richtet. Außerdem kündigt der HERR dem „Bergland von Seïr“ eher beiläufig an, seine Städte in Trümmer zu legen und überhaupt das ganze Gebiet in eine Wüste zu verwandeln, auf dessen Berghängen, in dessen Tälern und in dessen Schluchten überall die erschlagenen Bewohne liegen werden. Begründet wird all dies mit einer „ewigen Feindschaft“, die diese Gemeinschaft mit den „Söhnen Israels“ hatte.

(Fortsetzung folgt…)