Wie einzigartig Gottes Verhältnis zum jüdischen Volk ist, machen auch seine „Drohsprüche gegen die Fremd-Völker“ deutlich, bei denen es sich eigentlich um nichts anderes als Vernichtungsankündigungen handelt. Ammoniter, Moabiter, Edomiter, Philister, die Inselstadt Tyrus und ganz besonders Ägypten sind die Ziele dieses göttlichen Zorns. Den Ammonitern kündigt er ohne viel Gerede an, sie auszurotten und lässt dabei den bemerkenswerten Satz fallen: „Ich vernichte dich, dann wirst du erkennen, dass ich der Herr bin.“ Daraus lässt sich die philosophische Frage ableiten, ob jemand etwas erkennen kann, der nicht mehr existiert, weil vor dem Erkennen die Vernichtung steht? Auch das Königreich der Moabiter soll zerstört werden und aus dem der Edomiter soll eine Wüste werden.

Die Bestrafung der Philister geht wiederum mit einem pädagogischen Dilemma einher, denn Gott wirft ihnen vor „aus uralter Feindschaft Vernichtung zu bringen“ und möchte sie dafür, nun ja, vernichten. Tyrus soll ebenfalls untergehen und das in wortwörtlicher Hinsicht, da diese Stadt auf einer Insel liegt, die von der „Urflut“ begraben werden soll – wobei Gott mit Tyrus wohl weniger streng gewesen wäre, wenn sich der König der Inselstadt nicht selbst als Gott gesehen hätte. Weil einem Menschen seine Sterblichkeit nie stärker bewusst ist als im Moment des Todes, stellt Gott ihm ein Ende in der Hand seiner Feinde in Aussicht und möchte wissen: „Wirst du dann angesichts deiner Mörder noch sagen: / Ich bin ein Gott?“ Vermutlich nicht. Aber ob für diese Lehre, die zudem keine Verhaltensänderung mehr auslösen kann, wirklich gleich die ganze blühende Zivilisation untergehen muss, die dort im Meer besteht, ist eine Frage, mit der sich zumindest der Prophet Ezechiel nicht belastet hat.

Doch was hat all das nun mit dem jüdischen Volk zu tun? Gott selbst gibt darauf die Antwort. All diese Völker bedrohten, verachteten, bekämpften oder besetzten teilweise das Land der Juden und indem der HERR sie alle unschädlich macht, will er sein Bundesvolk stärker an sich binden: „Sie wohnen in Sicherheit, sobald ich an all denen, die sie ringsum verachtet haben, das Urteil vollstrecke. Dann werden sie erkennen, dass ich, der HERR, ihr Gott bin.“ Er bemüht sich tatsächlich außerordentlich darum, die Juden dazu zu bringen, ihn auf eine Weise zu ehren, wie es vor vielen Jahrhunderten am Berg Sinai eigentlich festgeschrieben wurde. Im Zuge seines Vorgehens gegen andere Völker nimmt seine Beschäftigung mit Ägypten eine Sonderstellung ein. Nicht nur, weil Gott sich mit keinem der dem Untergang geweihten Reiche so intensiv beschäftigt, sondern auch, weil er dem dortigen Oberhaupt einen abwertenden Beinamen verpasst: „Der Pharao, das große Krokodil.“

Am Ende spricht Gott vom Pharao als „gefangenem Krokodil“, nachdem in der Zwischenzeit die Vernichtung Ägyptens durch das Schwert angekündigt wird. „Das Land Ägypten wird zu Wüste und Ödland“, wozu auch das Erscheinen Nebukadnezars beitragen wird, den Gott an dieser Stelle überschwänglich als König der Könige bezeichnet, der „alles plündern und reiche Beute machen“ werde. Gott ist sogar bereit, sich mit chirurgischer Präzision an den Attacken gegen Ägypten zu beteiligen, wenn er dem Propheten Ezechiel stolz anvertraut: „Ich habe dem Pharao den Arm gebrochen“ und schon ankündigt, das gleiche noch mit dem anderen Arm zu tun. Ägypten soll vernichtet und zu Ödland werden, wobei für den Herrn nicht nur die bloße Tatsache von Bedeutung ist, dass die Ägypter als Folge dieses Plans einen fürchterlichen Preis zu zahlen haben, sondern auch, dass es sich bei ihnen um Unbeschnittene handelte. Er erwähnte das in seiner letzten Wortmeldung zu Ägypten nicht weniger als sechs Mal und schließt seine Rede konsequenterweise auch damit ab: „Doch jetzt liegt der Pharao da / mit seinem ganzen Gefolge inmitten der unbeschnittenen Männer, bei denen, die das Schwert erschlug.“

Zugleich gibt es zwischen all diesen kompromisslosen Völkerschlachten auch eine Entwicklung, die im ersten Moment überrascht. Gott möchte Ägypten für vierzig Jahre unbewohnbar machen, beziehungsweise „zur Wüste inmitten verwüsteter Länder“, doch danach will er die Ägypter aus ihren Exil-Ländern zurück nach Ägypten führen. Damit sind ausgerechnet die Ägypter das zweite Volk, das Gott anführen will, um ihm das Leben an einem bestimmten Ort zu ermöglichen. Auch wenn an dieser Stelle schon die eher oberflächlichen Gemeinsamkeiten ihr Ende finden, da Gott danach betont, die Ägypter nie mehr so mächtig werden zu lassen, wie sie es mal waren. Von daher bleibt es dabei, dass er eine Liste an Feinden des jüdischen Volkes abarbeitet, um sie zu bestrafen, während er zugleich hofft, die Juden durch diesen Einsatz motivieren zu können, sich künftig an seine Bündnisverpflichtungen zu halten.

(Fortsetzung folgt…)