Mit dreißig Jahren geschah etwas, was Ezechiels Leben für immer verändern sollte. Wie so viele andere Juden jener Zeit lebte er im babylonischen Exil, als er vom Norden her einen Sturmwind kommen sah. Dass es sich nicht um einen normalen Sturm handelte, dürfte er schon an dem Feuer und dem hellen Schein bemerkt haben, die ihn umgaben. Und an der Mitte des Sturms, die wie Metall glänzte. Selbst wenn ihn all das noch nicht überzeugt hätte, dass der Sturm hier mehr Verkleidung als Naturereignis war, dürften ihn die folgenden Beobachtungen endgültig davon überzeugt haben: Aus der Mitte des Sturms trat eine Gestalt hervor, die wiederum aus vier lebenden Wesen bestand.
Während ihre Körper noch „eine Menschengestalt hatten“ (auch wenn Menschen eher selten „Füße, wie die Hufe eines Jungstiers“ aufweisen), fielen die Köpfe in ihrer Extravaganz schon deutlicher aus dem Rahmen. Auf jedem Körper befanden sich gleich vier davon, wobei jedes Gesicht in eine andere Himmelsrichtung blickte und aus einem Menschengesicht, einem Löwengesicht, einem Stiergesicht und einem Adlergesicht bestand. Außerdem verfügte jeder dieser vier Körper dieses einen Wesens über vier Flügel. „Sie brauchten sich nicht umzuwenden, wenn sie gingen“, heißt es, denn sie liefen immer in die Richtung eines ihrer Gesichter. Wobei das bedeutet, dass sie sich wohl auf eine bestimmte Art absprechen mussten, da sie ja fast wie siamesische Vierlinge eine gemeinsame Gestalt bildeten.
Wenn ein Wesen mit sechzehn Köpfen noch nicht die erstaunlichste Beobachtung ist
Man konnte es außerdem kaum ignorieren, wenn sie sich bewegten, da es sich anhörte wie „gewaltige Wassermassen“ beziehungsweise „die Stimme des Allmächtigen“, was die Frage aufwirft, ob Gott sich womöglich wie ein tosender Fluss anhört.
„Neben den lebenden Wesen mit ihren vier Gesichtern war je ein Rad auf dem Boden. Gingen die lebenden Wesen, dann liefen die Räder an ihrer Seite mit“ und erhoben sie sich, folgten die Räder ebenfalls. Doch dieses eine Wesen mit den vier autonomen Körpern mit den insgesamt sechzehn Gesichtern war nicht einmal der ungewöhnlichste Anblick in diesem brennenden Sturm. „Und die Gestalt über den Häuptern der lebenden Wesen war wie ein Gewölbe, gleich dem Furcht erregenden Eiskristall, ausgebreitet oben über ihren Häuptern.“
Und selbst das ist noch nicht der eigentliche Blickfang, denn über dem Gewölbe steht ein Thron und über dem Thron folgte „eine Gestalt, die das Aussehen eines Menschen hatte“. Zumindest, was den Oberkörper anging, während Ezechiels den Unterleib als etwas beschreibt, „was das Aussehen von Feuer hatte“. All das wurde von einem strahlenden Kranz eingerahmt, der an das „Aussehen des Regenbogens erinnerte, der sich an einem Regentag in den Wolken zeigt.“
(Fortsetzung folgt…)