Die wirklich erstaunliche Meldung gleich zu Beginn: Gott hat den Bund für nichtig erklärt, den er am Berg Sinai mit Moses und den Israeliten geschlossen hatte! „Diesen meinen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich ihr Gebieter war“, erklärt er dazu ebenso knapp wie ausreichend. Wobei eigentlich nur erstaunt, warum er dann erst jetzt diesen Schritt ging, denn mit dieser Begründung hätte er schon seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten alles beenden können.

Wobei seine Feststellung aber dramatischer klingt als sie ist, denn eigentlich geht es ihm nicht um ein Ende des Bundes, sondern um einen Neuanfang: „Er ist nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus dem Land der Ägypter herauszuführen.“ Wie er stattdessen sein soll, erklärt er zwar, aber es klingt ein wenig nach allgemeinen Absichtserklärungen und weniger nach zehn neuen Geboten. Es fehlt schlicht die Eindeutigkeit der zwei Tontafeln, die Moses einst vom Berg mitbrachte, zerschmetterte und darum gleich wieder auf den Berg steigen musste, um sich ein zweites Paar Tafeln aushändigen zu lassen:

„Ich habe meine Weisung in ihre Mitte gegeben und werde sie auf ihr Herz schreiben. Ich werde ihnen Gott sein und sie werden mein Volk sein. Keiner wird mehr den anderen belehren, man wird nicht zueinander sagen: Erkenne den HERRN!, denn sie alle, vom Kleinsten bis zum Größten, werden mich erkennen.“ Letztlich geht es Gott beim erneuerten Bund vor allem darum, dass die Juden nicht erneut gefallen am Götzendienst finden. Damit ist ihm dieses Mal das am wichtigsten, was ihm auch beim ersten Mal am Berg Sinai am wichtigsten war: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine Götter neben mir haben.“ Im Grunde ist der Inhalt des neuen Bundes nichts anderes als dieses erste Gebot in anderen Worten.

Gott droht nun allen mit Strafen, die er davor selbst auf die Juden gehetzt hatte

Ansonsten gibt sich Gott nun aber ungewohnt versöhnlich gegenüber den Juden und verspricht den unter fremden Herrschern leidenden und in fremde Länder verschleppten: „Verzage nicht Israel! Denn ich bin es, der dich aus fernem Land errettet, / deine Kinder aus dem Land der Gefangenschaft.“ Das klingt so großzügig, dass man leicht vergessen könnte, dass er selbst für diese Verschleppung in ferne Länder verantwortlich war. Auch bei seiner weiteren Ankündigung: „Alle, die dich fraßen, werden gefressen, / alle deine Bedränger ziehen als Gefangene fort“ fehlt jeder Hinweis, dass diese Bedränger zugleich Gottes Werkzeuge waren, um die Juden zu bestrafen.

Doch offenbar meint er es wirklich ernst damit, sein Volk absehbar ins Gelobte Land zurückzubringen und schwärmt von einer neuen goldenen Epoche, während er Mütter auffordert, nicht mehr um ihre Söhne zu weinen, denn „sie werden zurückkehren aus dem Feindesland.“ Auch das zerstörte Jerusalem wird in jenen Tagen wieder aufgebaut werden, um das enge Band zwischen Gott und Volk zu bezeugen. Diesen Neuanafang, diesen zweiten Teil des Bundes – wobei die Zehn Gebote wohl weiterhin gelten und der neue Bund mehr eine Bekräftigung des alten ist als seine  eine Ersetzung.

(Fortsetzung folgt…)