Jeremia lebte eine ganze Weile mehr schlecht als recht mit diesem umständlichen Joch und dem Seil um seinen Hals, ehe es zu einer Auseinandersetzung mit dem Propheten Hananja kam, dessen Körper in keinerlei Fesseln lag. Doch das blieb nicht der einzige Unterschied zwischen ihnen, die vor dem Volk darum wetteiferten, wer tatsächlich Gottes Wort verbreite. Der Streit eskalierte so weit, dass Hananja sich genötigt sah, Jeremia gegen seinen Willen aus dem Joch zu befreien, um danach zu verkünden: „So spricht der HERR: Ebenso zerbreche ich binnen zwei Jahren das Joch Nebukadnezars.“

Gott ließ Jeremias entgegen: „Jochstangen aus Holz hast du zerbrochen“, doch die von Nebukadnezar unterdrückten Völker würden in „Jochstangen aus Eisen“ liegen. Offenbar enttäuscht über den fehlenden Eindruck, den seine Entgegnung beim Volk und dem Propheten Hananja machte, schob Jeremia die zornige Bemerkung nach, dass Hananja „noch in diesem Jahr“ sterben werden, was dann auch passierte.

Doch Jeremia selbst, kaum vom Tragen des Jochs befreit, nutzte seine neue Bewegungsfreiheit, um einen Brief zu schreiben. Wobei auch dieses Dokument zeigte, wie unnachgiebig er seine Mission verfolgte und warum es wohl nur wenige Menschen gab, die ihn sympathisch fanden. Sein Brief ging ausgerechnet an jene jüdische Elite, die er lange Zeit vor den Katastrophen und einer möglichen Verschleppung nach Babel gewarnt hatte und dafür nur Verachtung und offene Feindseligkeit zurückbekommen hatte. Dass er damit richtig lag, machte der Weg deutlich, den sein Brief nahm.

Er ging nämlich nicht nach Jerusalem, sondern auf den langen Weg nach Babel, wo all jene nun in dem Exil lebten, das er angekündigt hatte. Das Schreiben zeichnete sich durch etwas aus, was Jeremia ansonsten äußerst sparsam einsetzte: Hoffnung und Optimismus. Der vielleicht entscheidende Satz lautete: „Ich bringe euch an den Ort zurück, von dem ich euch weggeführt habe!“ Auch wenn davor siebzig Jahre vergehen würden, die offenbar so etwas wie eine Läuterungsphase sein sollten, um den Irrweg zu begreifen und zu verlassen, der überhaupt zu dieser verfahrenen Situation geführt hatte.

Ein Brief, der vielen Hoffnung macht und zwei Personen ihren Tod ankündigt

Allerdings konnte sich nicht jeder über diesen Brief freuen. Genaugenommen gab es zwei Personen, die namentlich von jeder Erneuerung ausgeschlossen blieben, auch wenn sie beide wohl nicht gänzlich überrascht gewesen sein dürften: König Zidkija und sein falscher Prophet Ahab. „Siehe, ich liefere sie Nebukadnezzar aus“, hieß es in der entscheiden Stelle des Briefes: „Er wird sie vor euren Augen niederhauen lassen. Dann wird man bei allen Verschleppten Judas, die in Babel sind, von ihnen das Fluchwort herleiten: Der HERR macht dich Zidkija und Ahab gleich, die der König von Babel im Feuer rösten ließ, weil sie Schändliches in Israel getrieben haben, mit den Frauen ihrer Nächsten Ehebruch begangen und in meine Namen fälschlich ein Wort verkündet haben, das ich ihnen nicht aufgetragen habe.“

Nun dürfte sich zwar Gottes Hoffnung nicht erfüllt haben, das sein ausgesprochen ungriffiges Fluchwort in den allgemeinen Sprachgebrauch überging (dafür hätte er der größeren Wirkung wegen die Zahl der Verfehlung kurzhalten müssen, denn so hätte es schon ganz anderes geklungen: „Der HERR macht dich Zidkija und Ahab gleich, die man im Feuer rösten ließ!“), doch dürfte das weder Jeremia noch ihn wirklich gestört haben, während es für die beiden prominenten Hinrichtungsopfer wohl kein Trost war.

Gott blieb seinem Kurs treu, dass er die Erneuerung des Bundes mit einer konsequenten Verfolgung falscher Propheten verband, denen er eine maßgebliche Mitschuld dafür gab, dass es überhaupt zur Entfremdung zwischen ihm und seinem Volk kommen konnte. Darum ließ er dem falschen Propheten Nehelam durch Jeremia mitteilen, dass weder er noch einer seiner Nachfahren am Glück teilhaben dürfe, das Gott für sein Volk vorbereite. Knappe Begründung: „Er hat Auflehnung gegen den HERRN gepredigt.“ Dass eine Folge dieser Familienbestrafung die neuerliche Verletzung des Grundsatzes war, dass Väter nicht für die Taten ihrer Söhne und Söhne nicht für die ihrer Väter zu richten seien, schien in jenen Tagen niemanden zu stören.

(Fortsetzung folgt…)