Gott redete im Verlauf dieser Krise weiterhin ungewohnt offen über seine Gefühle. Etwa, dass er „ohne Unterlass Tränen vergießen“ muss wegen des Hochmuts der Israeliten, der ihm keine andere Wahl lassen würde, als sie zu bestrafen: „So aber zerstreue ich euch wie Spreu, / die verfliegt im Wüstenwind.“ Tatsächlich folgte auch bald darauf eine schwere Dürre, die Mensch und Tier hart zusetzte und viele Opfer forderte. An dieser Stelle zahlte nun das Volk einen hohen Preis für die Ignoranz der religiösen Führung, die auf falsche Propheten gehört hatte. Sie behauptete, dass dies hier Gottes Worte seien: „Ihr werdet das Schwert nicht sehen, der Hunger wird nicht über euch kommen, sondern beständiges Heil gewähre ich euch an diesem Ort.“
Darum waren die Menschen verständlicherweise irritiert, dass fremde Armeen und Dürren über sie kamen. Dabei hatte Gott nichts dergleichen gesagt. Genaugenommen hatte er sogar das genaue Gegenteil verkündet, nämlich: „Durch Schwert, Hunger und Pest mache ich ihnen ein Ende.“ Und genau das passierte zu jener Zeit auch. Doch außer Jeremia schien es niemanden zu geben, der dem HERRN wirklich zuhörte. Stattdessen wurde den falschen Propheten geklaubt, für die Gott aber eine harte Bestrafung vorsah. Sie sollten durch das sterben, was sie geleugnet hatten: „Durch Schwert und Hunger werden diese Propheten ihr Ende finden.“ Es könnte den Anschein haben, als ob er durch diese Strafe die Anhänger der falschen Propheten zur Rückkehr zu Gott bewegen wollte, aber das stimmte nicht. Was man an der einfachen Tatsache merken kann, dass er auch sie alle sterben ließ. Kurz danach verrät Gott, dass seine „Augen überlaufen von Tränen“, was dafür spricht, dass ihm all diese finalen Bestrafungen selbst schwer zusetzen. Schließlich hat er über Jahrhunderte hinweg sehr viel an Zeit und Emotionen in diesen Bund gesteckt, der nun endgültig zu scheitern droht.
Wie ernst die Lage ist, macht auch Gottes Hinweis an Jeremia deutlich, dass nicht mal Moses oder Salomo ihn davon abhalten könnten, „mich diesem Volk nicht mehr zuzuwenden.“ Sollte Jeremia von den verstörten Israeliten gefragt werden, wohin sie denn nun gehen sollen, da sich Gott von ihnen abgewendet habe, weiß der HERR auch schon die passende und unversöhnliche Entgegnung: „Wer dem Tod verfallen ist, zum Tod! Wer dem Schwert, zum Schwert! Wer dem Hunger, zum Hunger! Wer der Gefangenschaft, zur Gefangenschaft!“
Das sind trostlose und zugleich eindeutige Ratschläge, denen der HERR noch Bemerkungen über Hunde hinzufügte, die Menschen fortschleifen werden und von Vögeln, die Leichen fressen und der generellen Ankündigung, dass Juda für die Völker der Welt zum „Bild des Schreckens“ werden soll. Auch verwendet Gott eine Metapher, die er bislang immer positiv belegt hatte, um künftige Erfolge und Größe zu bezeichnen. Dabei sprach er gerne davon, die Nachkommenschaft eines Menschen oder Volkes so zahlreich zu machen wie das „Sand am Meer.“ Nun geht es wieder um etwas, was so zahlreich sein soll wie das Sand am Meer, nur dass es sich dabei um israelitische Witwen handeln soll.
(Fortsetzung folgt…)