Immer wieder schwankt die Stimmung zwischen Melancholie und Zorn, wobei zu letzterer Phasen ausschweifender Beschimpfungen des auserwählten Volks gehören, das eine „Rotte von Treulosen“ sei, von Ehebrechern, von Lügnern und Verbrechern, bevor aus Beleidigungen konkrete Drohungen werden: „Jerusalem mache ich zum Trümmerhaufen, / zur Behausung für Schakale. Judas Städte mache ich zum Ödland, / das niemand bewohnt.“ Zu trinken soll es nur noch Giftwasser geben, die Kinder und jungen Männer sollen sterben und die Töchter Totenlieder lernen, bevor es zur Zerstreuung unter die anderen Völker der Welt kommen soll, wohin Gott ihnen auch noch „das Schwert hinterherschickt“, damit sie vernichtet werden.

In seinem Zorn ist er dabei nicht immer gerecht, wobei das wohl eine Grundeigenschaft des Zorns ist. Jedenfalls warnt er zugleich davor, wie die anderen Völker zu werden, da diese nur Götzen anbeten würden, die aus nichts anderem als Holz bestehen. Der HERR macht sich sogar die Mühe, nochmals zu erläutern, was das Problem an einer solchen Verehrung ist: „Sie sind wie Vogelscheuchen im Gurkenfeld. / Sie können nicht reden; / sie müssen getragen werden, weil sie nicht gehen können.“ Letztlich sagt er damit, dass man sich zwischen ihm und einer Vogelscheuche entscheiden muss. Dass es ihn tief getroffen hat, dass sich viele Israeliten dabei für die Vogelscheue entschieden, ist durchaus nachvollziehbar. So tief, dass er ausruft: „Weh mir ob meines Zusammenbruchs! / Unheilbar ist meine Wunde.“

Und immer wieder folgt auf Verzweiflung ein erneutes Beharren darauf, dass die Schuldfrage eindeutig geklärt sei: „Das Haus Israel und das Haus Juda haben meinen Bund gebrochen, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe.“ Außerdem führt Gott weiter aus: „So zahlreich wie die Straßen Jerusalems habt ihr der Schande Altäre errichtet, Altäre, um dem Baal zu räuchern.“ Anders ausgedrückt: Altäre für eine Vogelscheuche. Jeremia weiß natürlich schon aus beruflichen Gründen jederzeit zwischen Gott und Götzen zu unterscheiden, wofür der HERR ihn beschützt, und alle bestraft, die ihm schaden wollen. Als im Ort Anatot der Versuch unternommen wurde, Jeremia einzuschüchtern, ließ Gott kurzerhand die ganze Gemeinde untergehen: „Die jungen Männer sterben durchs Schwert“ und alle anderen durch Hunger, lautete die finale Bestrafung.

Für Jeremia veranschaulicht Gott auch nochmal recht umständlich, wie es um sein Verhältnis zum Volk bestellt ist. Dafür musste Jeremia sich zunächst einen Schurz kaufen und sich umlegen, ohne ihn in Wasser zu tauchen. Nachdem er ihn trug, sollte er zu Fluss Euphrat reisen, um ihn dort in eine Felsspalte zu legen. Danach verging einige Zeit – vielleicht Tage, Wochen oder auch Monate – bevor Gott seinen Propheten aufforderte, wieder zum Euphrat zu reisen, um das Kleidungsstück aus dem Versteck zu holen.

„Und siehe: Der Schurz war verdorben, zu nichts mehr zu gebrauchen.“ Während Jeremia den ruinierten Schurz noch betrachtete, erläuterte Gott, was er damit eigentlich sagen wollte: „Ebenso verderbe ich den Hochmut Judas und den großen Hochmut Jerusalems. Es soll daher wie dieser Schurz werden, der zu nichts mehr zu gebrauchen ist.“ Auch wenn nicht ersichtlich wird, warum es für die Wirkung dieses Gleichnisses notwendig war, dass Jeremia den Schurz erst anzieht, bevor er ihn versteckt, wurde klar, worum es Gott dabei ging. Er führte sein Textilien-Gleichnis sogar noch weiter aus: „Denn wie sich der Schurz den Hüften des Mannes anschmiegt, so wollte ich, dass sich das ganze Haus Israel und das ganze Haus Juda mir anschmiegen.“

(Fortsetzung folgt…)