Doch all das Beten, Betteln, Jammer, Klagen und vor allem die Selbstanklagen führten schließlich tatsächlich zu einer Wiederannährung zwischen Volk und Gott. Und natürlich die Tatsache, dass der Glaube endlich wieder ernstgenommen und so gelebt wurde, wie er einst zwischen Gott und längst vergangenen Generationen zustande kam.  Doch es gab nicht nur Gewinner dieser neuen Phase. Vor allem jene Völker, die den fehlenden Schutz Israels durch Gott genutzt hatten, um die Israeliten zu unterwerfen, sollten diesen Schritt nun bereuen. Auf gewisse Weise gab Gott dabei selbst eine Losung aus, als er sprach: „Kein Frieden den Frevlern!“ Die Radikalität dieser Forderung passt zur Respektlosigkeit in der direkten Ansprache, wenn von „Kindern der Zauberin“ die Rede ist, von einer „Lügenbrut“ und den „Nachkommen von Ehebrechern und Dirnen“, die Kinder in Bachtälern schlachten würden. Auch wenn er erwähnt, dass seine „Erwählten“ wieder im gelobten Land leben sollen, wo ein gutes Leben auf sie wartet, lässt er seine Feinde wissen, dass auf sie ein anderes Schicksal wartet: „Euch überantworte ich dem Schwert / und ihr alle geht zur Schlachtung in die Knie.“

Letztlich überwiegt aber Gottes Schöpferlust, denn neben dem Vernichten jener, die ihn zu sehr erzürnt haben, widmete er sich vor allem einem ehrgeizigen neuen Plan, den er selbst so zusammenfasst: „Ich erschaffe einen neuen Himmel / und eine neue Erde.“ Das Zentrum dieser neuen Erde soll Jerusalem sein, wo das Volk glücklich sein soll, wobei er selbst sich bemüht, diesen Zustand zu fördern. So verspricht er, dass es keinen „Säugling mehr geben wird, / der nur wenige Tage lebt, und keinen Greis, / der seine Tage nicht erfüllt.“ Ja, er stellt klar: „Wer als Hundertjähriger stirbt, / gilt als junger Mann, / und wer die hundert Jahre verfehlt, / gilt als verflucht“ und das Leben würde so friedlich sein, dass „Wolf und Lamm zusammen weiden / und der Löwe Stroh frisst wie das Rind.“ Wobei der nachgeschobene Satz, „doch der Schlange Nahrung ist der Staub“ zeigt, dass er ihr die verhängnisvollen Ereignisse im Garten Eden auch nach so langer Zeit nicht verziehen hat. Jerusalem sollte zu einer blühenden Welthauptstadt werden, zu der nicht nur ganze Völker und Nationen pilgern, sondern auch die Meere sowie Kamele, Schafe und Widder, die wiederum „zum Wohlgefallen“ auf den Altar steigen würden, um geopfert zu werden. Sollten sich diese Tiere tatsächlich voller Vorfreude in einer Warteschlange anstellen, die langsam, aber sicher auf einen Priester hinführt, der mit einem scharfen Messer einen Widder nach dem anderen tötet und ausbluten lässt, wäre diese unnatürliche Reaktion tatsächlich ein Beweis dafür, dass eine neue Zeit angebrochen ist.

Zu dieser neuen Ära würde auch ein ununterbrochener Strom an Gästen gehören, die Reichtümer aller Art im Gepäck haben. „Deine Tore bleiben immer geöffnet, / sie werden bei Tag und Nacht nicht geschlossen, damit man den Reichtum der Nationen zu dir bringen kann.“ Während gleichzeitig rege Bautätigkeit einsetzt, um verlassene, verfallene oder aufgegebene Orte wieder bewohnbar zu machen, wobei es für Jerusalem zusätzlich das Versprechen gibt, das es nie mehr verlassen wird. Bei all diesen Visionen einer goldenen Ära, vergisst Gott seinen Zorn jedoch nie vollständig, weswegen die letzten Worte wohl nicht zufällig auf weitere gute Nachrichten verzichten, sondern eine erneute und eindeutige Drohung sind: „Und sie werden hinausgehen und die Leichen der Männer sehen, die mir abtrünnig geworden sind. Denn ihr Wurm stirbt nicht und ihr Feuer erlischt nicht und sie werden ein Abscheu sein für alles Fleisch.“

(Fortsetzung folgt…)