Ob diese besondere Betonung der Dankbarkeit und Verehrung womöglich etwas mit der Furcht zu tun hatte, dass die Kinder sich im Erwachsenenalter für die harte Kindheit rächen könnten, wird an keiner Stelle angedeutet. Unmöglich ist es aber nicht, denn niemand dürfte damals seine Kindheit als liebevoll bezeichnet haben und wenn doch, hätten die Eltern etwas falsch gemacht. Körperliche Gewalt galt als Allheilmittel und notwendige Voraussetzung, damit aus dem Nachwuchs etwa Anständiges wird.
„Hast du Kinder? Erziehe sie! Beuge ihren Nacken von Jugend an!“
Andere Erziehungstipps für Jungs lauten:
„Wer seinen Sohn liebt, wird ihm häufig Schläge geben, / damit er am Ende erfreut wird.“ „Verhätschle dein Kind und es macht dich fassungslos! / Scherze mit ihm und es betrübt dich“
„Lach nicht mit ihm, damit du mit ihm nicht Kummer erfährst“
„Gib ihm nicht zu viel Macht in der Jugend / und übersieh nicht seine Fehler!“
„Schlag ihm aufs Gesäß, solange er noch klein ist.“
Auch Mädchen durften nicht mit herzlichen Umarmungen und liebenden Eltern rechnen:
„Hast du Töchter? Zeig ihnen kein zu freundliches Gesicht!“
Stattdessen musste der Vater ständig aufpassen, dass die Tochter ihn nicht beschämt. Vor allem, wenn sie älter wurde.
Gründe für eine befürchtete Beschämung gab es viele und sie alle missachteten die Intimsphäre der Tochter. So musste sie unter anderem vor der Ehe jungfräulich bleiben und in der Ehe treu und fruchtbar. Außerdem durfte sie keine frechen Reden halten, musste gehorsam sein und generell so leben, dass ihr Vater nicht „zum Gespött“ wird. Für alle, die sich nicht zutrauten, Kinder in diesem Geist zu erziehen, hatte Jesus Sirach eine klare Ansage:
„Besser kinderlos sterben, als gottlose Kinder haben.“
Insgesamt sind Frauen eines der Themen, mit denen sich dieser Ratgeber besonders intensiv beschäftigt. Dabei nehmen sie mehr die Rolle unberechenbarer Risikofaktoren ein und seltener die, zuverlässiger Partner für ihre Männer – und nie die von selbstständigen Personen, die mehr sind als Last oder Stütze für andere. Vor allem wird vor ihnen gewarnt, insbesondere vor Saitenspielerinnen und Jungfrauen, aber auch mit verheirateten Frauen soll man nicht zusammensitzen, da daraus Ehebruch werden könne:
„Wende das Auge von einer wohlgeformten Frau ab / und blick nicht begehrlich auf ihre Schönheit!“, denn „durch die Schönheit einer Frau sind schon viele verführt worden.“
Prostituierte sind ohnehin gefährlich, weswegen sich auch niemand an „abgelegenen Orten“ herumtreiben soll. Um seine warnenden Worte zu unterstreichen, schob Jesus Sirach noch eine Reihe von Bemerkungen nach wie:
„Die Bosheit einer Frau verändert ihr Aussehen / und verfinstert ihr Gesicht wie das einer Bärin“
„Klein ist jede Bosheit im Vergleich zur Bosheit der Frau“
„Von einer Frau kommt der Anfang der Süde / und durch sie sterben wir alle.“
Dass er aber nicht nur negative Worte findet, zeigt diese Bemerkung:
„Die Schönheit einer Frau macht das Gesicht heiter, / sie übertrifft jedes Verlangen des Menschen.“
Zumindest im Vergleich zur sonstigen Wortwahl ist das geradezu herzlich. Ebenso wie:
„Eine Frau zu erwerben, ist der Anfang vom Besitz, / eine Hilfe, die ihm entspricht und eine Säule der Ruhe.“
Oder wie dieser Satz, um damit sämtliche Erwähnungen genannt zu haben, die nicht ausschließlich abwertend gemeint sind:
„Fehlt ein Zaun, wird der Besitz geplündert, / fehlt einem die Frau, wird er herumirren und klagen.“
Auch über Männer weiß Jesus Sirach zu berichten, wenn auch deutlich weniger als über Frauen und auch weniger präzise:
„Lobe keinen Mann wegen seiner Schönheit“
und
„Die Kleidung eines Mannes und das Lachen seines Mundes / und der Schritt des Menschen sagen etwas über ihn aus.“
(Fortsetzung folgt…)