Reiche und Arme sollten außerdem möglichst wenig bis gar keinen Umgang miteinander pflegen, denn „welchen Frieden hat eine Hyäne mit einem Hund? / Welchen Frieden hat ein Reicher mit einem Bedürftigen?“ beziehungsweise „Beute der Löwen sind Wildesel in der Wüste, / so sind die Armen die Weideplätze der Reichen.“ Offenbar war die Gesellschaft damals nicht sonderlich durchlässig für Aufsteiger, wenn eine solche Abneigung herrschte. Zumal auch sozialer Abstieg selten vorkam, denn: „Ein Reicher, der wankt, wird von Freunden gestützt“, was heißt, dass es schon damals auf die richtigen Netzwerke ankam.

Jesus Sirach hatte offenbar ein gutes Gespür dafür, wie der soziale Rang das eigene Leben prägt, denn er schob noch folgende Beobachtung nach: „Ein Reicher sprach und alle verstummten, / sie erhoben sein Wort bis in die Wolken. Ein Armer sprach und man sagte: Wer ist denn dieser? / Und wenn er stolpert, stoßen sie ihn nieder.“ In Bezug auf Tod und Abschied empfahl er einen harten Schnitt: „Gib dein Herz nicht der Trauer hin, / stell sie beiseite, wenn du an die letzten Dinge denkst. Vergiss nicht, es gibt keine Rückkehr; / ihm wirst du nicht mehr helfen und dir selbst wirst du schaden.“ Beim Essen mahnte er zur Mäßigung, da sonst „zermürbende Schlaflosigkeit, Brechdurchfall und Krämpfe“ drohen, gegen die es aber eine bewährte Methode geben würde: „Steh auf, geh weg, erbrich dich! Dann wirst du Ruhe haben.“

Tore und Idioten kommen in den Weisheiten des Jesus Sirach nicht gut weg, weswegen es eine ganze Reihe von abwertenden Bemerkungen gibt, die sich alle in etwa so lesen wie diese beiden: „Wer einem Toren etwas erzählt, erzählt es einem Schlaftrunkenen / und am Ende sagt er: Was ist los?“ und „Über einen Toten weinen, denn es ist ein Licht erloschen! / Über einen Toren weinen, sein Verstand ist erloschen!“ Wahrer Freundschaft spricht er hingegen einen wichtigen Stellenwert zu, denn „ein treuer Freund ist ein starker Schutz, / wer ihn findet, hat einen Schatz gefunden“ und „für einen treuen Freund gibt es keinen Gegenwert, / seine Kostbarkeit lässt sich nicht aufwiegen“ und „ein treuer Freund ist eine Arznei des Lebens.“ Außerdem, auch wenn es ein wenig unheimlich ist, dass es überhaupt betont werden muss, betont er: „Tausche keinen Freund für Geld“ und „schon gar nicht einen leiblichen Bruder für Gold.“

Wer also dem ohnehin irritierenden Wunsch widersteht, Freunde oder Brüder gegen Geld einzutauschen, kann Freundschaft eigentlich nur noch durch eine Sache zerstören: Geheimnisverrat. Denn, „wer Geheimnisse verrät, zerstört das Vertrauen, / er findet nie mehr einen Freund, der zu ihm steht.“ Weswegen der Rat von Jesus Sirach auch lautet, im Zweifelsfall ein Geheimnis eben für sich zu behalten: „Du hast ein Wort gehört – es sterbe mit dir! Sei zuversichtlich, es wird dich sicher nicht zerreißen.“ Noch wichtiger als Freunde sind allerdings die Eltern, wobei da die Auswahl an möglichen Verhaltensweisen auf eine beschränkt bleibt: Verehrung. Wie es schon das vierte Gebot verlangte, das Moses einst vom Berg Sinai mitbrachte. In ausgesprochener Klarheit heißt es: „Wie ein Gotteslästerer ist, wer den Vater im Stich lässt, / und ein vom Herrn Verfluchter ist, wer seine Mutter erzürnt.“

(Fortsetzung folgt…)