Wie bitte, Jesus? Jetzt schon? Nein, es ist noch nicht der Jesus, von dem hier die Rede ist, sondern ein Jesus. Wenn auch einer, der sich ebenfalls einen gewissen Ruhm erworben hat. Jesus Sirach war ein Gelehrter, der das Ziel hatte, Wissen und Bildung zu verbreiten und sich deswegen daran machte, eine Art Mischung aus Knigge und Allgemeinbildung zu verfassen. Ein „Alles, was du wissen muss“ für biblische Zeiten.

Die wichtigste Erkenntnis des alttestamentarischen Jesus lautete: „Alle Weisheit kommt vom Herrn“, wobei er daran erinnert, dass Gott niemals jemanden im Stich gelassen habe, der an ihn glaubte. Eine Behauptung, der Hiob zumindest zwischenzeitlich wohl nur bedingt zustimmen konnte. Niemand sollte außerdem glauben, dass Gott alle Sünden verzeihen würde, nur weil sein Mitleid so groß ist. Ja, sein Mitleid ist groß, stellte Jesus Sirach fest, aber er gab auch zu bedenken, dass Gott nicht von Mitleid allein geführt werde, sondern auch von „Zorn“, den er besonders auf Sünder verspürt. Von daher sollte niemand leichtfertig auf das göttliche Mitleid setzen und lieber daran denken, dass „die Vergeltung für einen Gottlosen Feuer und Wurm“ sind.

Überhaupt muss der Mensch sich immer daran erinnern, dass er für sein Tun selbst verantwortlich ist und seine Sünden nicht auf Gott abwälzen kann: „Sag nicht: Er hat mich in die Irre geführt. Keinem befahl er, gottlos zu sein, / und er erlaubte keinem zu sündigen.“ Das gelte insbesondere auch für den Ehebruch, bei dem sich niemand Hoffnungen machen sollte, damit durchzukommen, nur weil er im Dunkeln stattfindet, wo kein Mensch etwas sieht. Gott nämlich hat Augen, die „zehntausendmal heller sind als die Sonne“ und so „alle Wege der Menschen überblicken“ und damit eben auch ein abgedunkeltes Schlafzimmer oder sonst ein heimliches Liebesnest.

Der Mensch soll außerdem gegenüber Armen nicht überheblich auftreten, beim Geben großzügig sein und Bittsteller nicht abweisen. Insgesamt gelte für alle das Credo: „Tu nichts Böses, so wird auch dich nichts Böses treffen“ und freue dich nicht über Tote, da auch du sterben wirst. Mit „Draufgängern“ sollte man sich nicht einlassen und mit „Jähzornigen“ weder einen Streit entfachen noch mit ihnen „die Wüste durchqueren“, da die Gefahr bestehe, dass sie einen ermorden. Wobei man sich aber auch sonst kaum eine unangenehmere Begleitung für den anstrengenden und einsamen Weg durch die Wüste vorstellen kann als jemanden, der ständig schimpft und zornig ist.

Außerdem heißt es ganz allgemein „offenbare dein Herz nicht jedem Menschen“ und „bevor du geprüft hast, tadle nicht“, was auf jeden Fall ein guter Ratschlag ist. Hingegen wirkt dieser hier ein wenig irritierend: „Vertrau niemals deinem Feind.“ Ist es wirklich nötig, so etwas zu erwähnen? Jesus Sirach sah es so und er schob sogar noch nach: „Gib keinem anderen dein Vermögen.“ Nun, er wird seine Zeitgenossen besser gekannt haben und hielt diese Warnungen für notwendig.

(Fortsetzung folgt…)