Warum Gott die Welt erschaffen hat, bleibt sein Geheimnis. Fest steht nur, dass er es getan hat und seine Arbeit recht selbstbewusst als „gut“ beziehungsweise sogar „sehr gut“ bezeichnete. Er brauchte nur sechs Tage dafür und empfahl seinen Geschöpfen schließlich: „Seid fruchtbar und mehret euch!“ Dabei wendete er sich übrigens nicht zuerst an die Menschen, sondern an Wassertiere und Vögel. Was auch daran lag, dass die gesamte Menschheit damals nur aus einem einzigen Mann bestand: Adam. Für ihn legte Gott den Garten Eden an und für ihn erschuf er auch Eva und zwar auf eine erstaunlich komplizierte Art. Er versetzte Adam dafür in einen „tiefen Schlaf“, entfernte ihm eine Rippe und formte aus dieser die erste Frau. Offenbar fiel Gott selbst auf, dass Menschen künftig anders gemacht werden müssen, denn es blieb bei dieser einen Rippengeburt.

Er pflanzte außerdem zwei Bäume, den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse und den Baum des Lebens und verbot den beiden Menschen, von deren Früchten zu essen. Natürlich kam es so wie immer, wenn alles erlaubt ist und nur eine Sache ausdrücklich verboten bleibt. Der Reiz nahm zu und am Ende wurde das Verbot übergangen. In diesem Fall half eine Schlange nach, die sprechen konnte und auf vier Beinen durch den Garten Eden spazierte, was offenbar niemanden wunderte. Sie redete Eva ihre Bedenken aus, während Adam stumm daneben stand, als ging ihn das womöglich wichtigste Gespräch der Geschichte nichts an.

Letztlich aßen sie also vom Baums der Erkenntnis, von dessen Früchten es übrigens an keiner Stelle heißt, dass es sich um Äpfel handelte. Vielleicht waren es auch Bananen oder Nüsse oder Kirschen. Auf jeden Fall wurden sie erwischt und es folgte ein ziemlich unwürdiges Schauspiel. Gott stellte Adam zur Rede, der Eva die Schuld gab, die der Schlange die Schuld gab, die selbst gar nicht mehr zu Wort kam, sondern sofort verflucht wurde: „Auf dem Bauch wirst du kriechen und Staub fressen alle Tage des Lebens.“

Es gibt ein Leben nach dem Paradies

Adam und Eva durften zwar ihre Beine behalten, wurden aber ebenfalls hart bestraft. Die Frau soll „unter Schmerzen“ ihre Kinder bekommen, legte Gott fest und schob boshaft nach: „Häufig wirst du schwanger werden.“ Adam kam besser weg, musste aber künftig arbeiten, um zu überleben, denn „im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen.“ Außerdem flogen sie aus dem Garten Erden. Das Verhältnis von Adam und Eva litt offenbar nicht darunter, dass sie sich nicht schützend voreinander gestellt hatten, als es zur Konfrontation mit Gott gekommen war. Was entweder für eine ohnehin zerrüttete Beziehung sprach, die nicht weiter erschüttert werden konnte oder dafür, dass sie vieles mit sich selbst ausmachten.

Es gibt aber ein Leben nach dem Paradies und das hielt für Adam und Eva gleich etwas Besonderes bereit. Sie wurden Eltern und gaben ihren Söhnen die Namen Kain und Abel. Doch auch jetzt ging fast alles schief, was schiefgehen konnte. Beide Söhne wetteiferten nämlich um die Gunst Gottes und weil Abel sich dabei erfolgreicher anstellte als Kain, kam dieser auf die wahnsinnige Idee, seinen Bruder zu töten, um so die ganze Aufmerksamkeit Gottes auf sich zu vereinen. Die bekam er dann auch. Zumindest für die kurze Zeit, die Gott brauchte, um ihn zu verfluchen, zu verbannen und mit einem Mal zu versehen. „So zog Kain fort, weg vom Herrn, und ließ sich im Land Nod nieder, östlich von Eden.“ Damit muss der Anfang der Gott-Mensch-Beziehung als absoluter Fehlstart bezeichnet werden. Von den ersten vier Menschen verbannte Gott gleich drei aus zwei verschiedenen Orten und der Einzige, der nicht vertrieben wurde, wurde ermordet. Das hatten sich vermutlich alle etwas anders vorgestellt.

Kains weiteres Leben verlief übrigens erstaunlich erfolgreich, auch wenn man das nicht erwarten würde. Er fand eine Frau, die es offenbar nicht störte, wie konsequent er Familienstreitigkeiten löste, und gründete sogar eine eigene Stadt, was nicht gerade für ein Leben auf der Flucht spricht. Womöglich hatte Gott ihm unbeabsichtigt einen Gefallen getan, als er ihn mit dem Mal zeichnete, das jedem die „siebenfache Rache“ Gottes androhte, der ihn tötet und damit seinen Bruder rächt. Niemand traute sich darum, Kain auch nur ein Haar zu krümmen. Vermutlich sollte man sich sein Leben weniger als das eines verzweifelten Außenseiters vorstellen, sondern als das eines privilegierten Mannes, der ein Maß an persönlicher Sicherheit genoss, wie sonst niemand auf der Welt.

Seine Eltern Adam und Eva bekamen ein knappes Jahrhundert später ein drittes gemeinsames Kind, das sie Set nannte. Zu diesem Zeitpunkt war Adam 130 Jahre alt (damals wurden viele Menschen über 900 Jahre alt, bevor Gott irgendwann eine willkürliche Grenze bei 120 zog, die aber auch regelmäßig ignoriert wurde) und zeugte danach noch viele weitere „Söhne und Töchter“ mit anderen Frauen, bevor er im hohen Alter von 930 Jahren starb. Wie lange Evas Leben dauerte – immerhin die erste und vielleicht berühmteste Frau der Welt – ist der Bibel hingegen keine Meldung wert.

Unter den vielen Nachfahren Adams findet sich auch einer mit Namen Lamech. Er zeugte einen Sohn und wählte für ihn einen Namen, der ‚Ruhe‘ bedeutet, denn Ruhe war es, die sich Lamech für die Menschheit wünschte. Er lebte noch weitere 595 Jahre und erfuhr nicht mehr, wie sehr er sich getäuscht hatte. Sein Sohn hieß nämlich Noah und wenn es seinem Leben an einer Sache massiv mangelte, dann an Ruhe. Schuld daran war Gott, der feststellte, „dass auf Erden die Bosheit des Menschen“ zunimmt und „das alles Sinnen und Trachten seines Herzens immer nur böse“ ist. Zwar nannte er keine konkreten Beispiele, hatte aber dafür einen umso konkreteren Plan zur Problemlösung: „Ich will den Menschen, den ich erschaffen habe, vom Erdboden vertilgen, mit ihm auch das Vieh, die Kriechtiere und die Vögel am Himmel, denn es reut mich, sie gemacht zu haben.“

Das sind harte Worte, die man ernst nehmen sollte, wenn sie der Erschaffer der Welt spricht. Gleichzeitig sind es Worte, die die Fische im Wasser mit Erleichterung gehört haben dürften. Sie verschonte Gott, ohne zu begründen warum – so wie er umgekehrt auch nicht erklärt, warum er in seiner Enttäuschung auch Vieh, Kriechtiere und Vögel vertilgen wollte. Es blieben aber nicht nur die Fische von seinem Zorn verschont, sondern auch Noah, über den es nur recht allgemein heißt, er sei ein „gerechter untadeliger Mann.“ Neben Noah durften noch seine Frau, seine drei Söhne und deren Frauen mit an Bord. Womöglich auch, weil Gott sich daran erinnerte, wie mühselig es war, aus Adams Rippe eine Frau zu erschaffen und er keine Lust hatte, das mit Noahs Rippen wiederholen zu müssen. Außerdem je ein Männchen und ein Weibchen von jeder Tierart, die es gab.

Von der Arche aus der Welt beim Untergehen zusehen

Schließlich teilte Gott Noah mit, dass die Sintflut in sieben Tagen beginnt. Es muss eine seltsame letzte Woche gewesen sein, in der Noah bei jeder Begegnung mit anderen Menschen wusste, dass sie alle in wenigen Tagen tot sind. Gott hielt Noah für einen vorbildlichen Menschen. Aber würde ein vorbildlicher Mensch seinen Mitmenschen nicht zumindest empfehlen, sich Rettungsringe zuzulegen? Nach den sieben Tagen gingen Noah und seine Familie mitsamt der Tiere in die Arche und Gott persönlich „schloss hinter ihm zu“, bevor er es regnen und regnen und regnen ließ. „Vierzig Tage und vierzig Nächte“ sollte das so gehen, wobei aber insgesamt hundertfünfzig Tage lang „die Wasser gewaltig auf Erden“ wuchsen. Im Ergebnis bedeutete dies: „Vom Menschen bis zum Vieh, bis zu den Kriechtieren und den Vögeln des Himmels; sie alle wurden von der Erde vertilgt.“

Eigentlich kann es nur ein Alptraum gewesen sein, von der Arche aus zuzusehen, wie die Welt untergeht und doch fragte sich keiner der acht Überlebenden, ob Gott nicht vielleicht über das Ziel hinausgeschossen hatte. Ebenso erstaunlich ist es, dass Gott zwar vor der Sintflut überaus redselig war und Noah erläuterte, wie er alles Leben (bis auf die Fische!) beenden will, danach aber in Schweigen verfiel. Er gab nicht mal Bescheid, wann man die Arche wieder verlassen könne. Noah musste es also selbst herausfinden, was die Taube nutzte, um mit dem Olivenzweig im Schnabel zu einem der berühmtesten religiösen Symbole überhaupt zu werden. Dabei war sie eigentlich nur zweite Wahl. Zuerst schickte Noah einen Raben los, doch der fand kein Land und verpasste damit die Chance auf theologische Unsterblichkeit.

Nachdem alle die Arche verlassen hatten, segnete Gott Noah und seine Söhne (nicht die Frauen) und gab Entwarnung, dass es niemals eine zweite Sintflut geben werde. Seitdem steht der Regenbogen für dieses Versprechen. Damit begann also die Zeitrechnung nach der großen Flut. Eine Zeit, in der alles besser werden sollte. Und wie schlugen sich die acht Menschen so? Nun ja…Noah, der stolze Kapitän der Arche und ein Vorbild an Tugend, fand sich sturzbetrunken und nackt auf dem Boden seines Hauses wieder, wo sein jüngster Sohn ihn fand. Nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen hatte, ließ Noah nicht etwa die Finger vom Wein, sondern verflucht kurzerhand den Sohn, der ihn in diesem jämmerlichen Zustand entdeckt hatte und erklärt ihn zum Sklaven seiner beiden Brüder. Dass es sich bei diesem Alkoholexzess um den ersten Alkoholexzess überhaupt handelte, und bei Noah um den ersten Weinbauern, war damals wohl für niemand ein Trost. Auch nicht für Gott, den dieser Anblick seines Vorzeigemannes sicherlich erschüttert hatte.

Insgesamt gedieh das Leben auf der Erde aber doch und aus acht Menschen wurden bald wieder viele Menschen, die sich ein ehrgeiziges Projekt vornahmen. Sie wollten in Babel einen Turm bauen. Einen sehr hohen Turm, der bis zum Himmel reicht. Ein friedliches Bauprojekt, harmlos in seinem Ehrgeiz und vereinend in seinem Ziel. Also ganz im Sinne Gottes, würde man meinen. Aber nein, was er da sah, gefiel ihm trotzdem nicht. Düster prophezeite er: „Siehe, ein Volk sind sie und eine Sprache haben sie alle. Und das ist erst der Anfang ihres Tuns. Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, wenn sie es sich zu tun vornehmen. Auf, steigen wir herab und verwirren wir dort ihre Sprache, sodass keiner mehr die Sprache des anderen versteht.“ Auf diese Weise gelang es ihm, diesen beeindruckenden Turmbau zu sabotieren (und den Leser mit der Frage zurückzulassen, wer eigentlich zu seinem „wir“ gehört). Vor der Sintflut störte ihn die Gewalt und Niedertracht der Menschen, nun war es ihm nicht recht, dass sie auf friedliche Weise ein gemeinsames Ziel verfolgten. Man wird nicht ganz schlau aus seinem Verhalten, aber kann wohl festhalten, dass er kein Architekturliebhaber war. Doch schon bald sollte er sich einem eigenen Projekt widmen. Einem Experiment mit ungewissem Ausgang, das es in dieser Form noch nicht gegeben hatte und das bis zum heutigen Tag anhält.

(Fortsetzung folgt.)