Womöglich lag es an den überfordernden Umständen dieser Begegnung mit dem Thron und den Engeln, dass Jesaja sich nicht wie einst Moses oder Abraham wagte, diese Vernichtungswut in Frage zu stellen und Gott davon zu überzeugen, dass die geplanten Maßnahmen zu heftig sind. Jesaja schwieg und verkündete, was er im Tempel aufgetragen bekommen hatte.
Er verkündete dafür mit großem Eifer die Worte des HERRN und gab sich alle Mühe, um aufzufallen. Das ging so weit, dass er drei Jahre lang nackt predigte, womit er gegen sämtliche Regeln der Sittsamkeit verstieß, die eben jener Gott festgelegt hatte, für den er durchs Land zog. Auch dürfte dieser exzentrische Körperkult so manchen Zuhörer seiner Predigten von deren Inhalten abgelenkt haben.
Jesaja wurde bei lebendigen Leib zersägt – vielleicht
Doch seine Mahnungen sollten sich schon bald bewahrheiten und so folgten schlimme Zeiten für die Israeliten, denen Gott sogar die Wälder anzündete. Auf diese Weise wollte er denen, die noch nicht gestorben waren, ihr Leben auf möglichst vielen Ebenen erschweren. Es kam zu bestialischen Taten im Volk und zu Fällen von Kannibalismus, wobei manche sogar ihre eigenen Arme aßen, um nicht zu verhungern.
Übrig blieb vom Volk der so genannte „gerettete Rest“, dem sich Gott langsam wieder zuwendete. Nach einer dunklen Zeit des Kannibalismus schien nun eine Phase der puren Harmonie möglich: „Der Wolf findet Schutz beim Lamm, / der Panther liegt beim Böcklein.“ Dass das Leben weiterhin voller Gefahren war, musste Jesaja am eigenen Leib erfahren, denn man geht davon aus, dass ihn ein verärgerter König der Israeliten gefangen nahm und bei lebendigem Leib zersägen ließ.
(Fortsetzung folgt…)