Böss in Berlin verabschiedet sich
Als Böss in Berlin startete, war George W. Bush noch US-Präsident und Deutschlands Nationalmannschaft noch weit von ihrem vierten Stern entfernt. Neun Jahre später wird dieser Blog-Dinosaurier nun von einem virtuellen Meteoriten erwischt. Es folgen neun letzte Blogweisheiten vor dem Aufschlag:
1. Kommentarspalten lohnen sich nicht. Ich habe in all den Jahren nur eine einzige Diskussion erlebt, die wirklich einen Mehrwert brachte und der war nun auch nicht groß genug, als dass ich mich an ihn oder auch nur das Thema der Debatte erinnern würde. Andererseits haben Kommentarspalten trotzdem ihre Berechtigung, denn sie locken die zornigen Nachbarn, die früher im Fenster hingen und Fußgänger beschimpften, an die Tastaturen und Bildschirme. Das ist für die Nachbarn gut, aber der Preis dafür sind Kommentarspalten zum vergessen.
2. Blogs sind die Telekomaktie unter den publizistischen Bühnen. Sie wurden euphorisch erwartet und haben am Ende doch enttäuscht. Wobei sie immerhin in der Expertennische funktionieren und dort immer wichtiger werden. Anwälte, Polizisten, Lehrer, Astronauten, Physiker. Wer aus seinem Fachgebiet postet, hat eine Leserschaft.
3. Ich habe unter anderem über den Islam, Israel, Nazis und Pegida geschrieben (die Reizthemen, zu denen die Nachrichtenportale regelmäßig die Kommentarspalten abschalten) und bekam in all der Zeit nur eine einzige Morddrohung: für einen Verriss des Films Aufbruch nach Pandora.
4. Wehret der Stammtischbildung. Ein Stammtisch ist gemeinschaftlich zelebrierte Langeweile, wo sich gegenseitig die ohnehin identische Meinung bestätigt wird. Stammtischleser sind wie die Ultras bei Fußballvereinen, die meinen, irgendeine Art von Mitspracherecht an „ihrem“ Verein zu haben. Was anderes sind Stammleser, die interessieren sich für deine Gedanken, ohne diese unbedingt zu teilen.
5. Vierzehn Artikel blieben in den neun Jahren unvollendet, weil mir irgendwie…also….die hatten halt nicht wirklich so…ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll…der Sound passte nicht und…schwierig…mir fehlen da die richtigen Worte…also…nein, egal, dann halt nicht.
6. Wer auf die Lügenpresse schimpft, hat eigentlich kein Problem mit lügender Presse, sondern nur damit, dass sie nicht in seinem Sinne lügt. Deswegen ist es auch kein Widerspruch, wenn die gleichen Leute, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen als Propagandaformat kritisieren, Russian Today toll finden.
7. Wenn man sich nicht sicher ist, ob zu einem bestimmten Thema jetzt auch noch ein eigener Artikel nötig ist oder nicht, hat man die Antwort schon und sollte stattdessen lieber in den Park gehen oder ins Kino. Ich habe eine Jahreskarte fürs Kino!
8. Mainstream sind immer die anderen. Die Leute kaufen sich zwar alle Nike-Schuhe, iPhones und Lebensmittel vom ALDI, aber wenn es um politische Ansichten geht, will plötzlich jeder ein tapferer Braveheart sein im Kampf für die Meinungsfreiheit und gegen ein Kartell aus Medien und Politik. Eine Armee von Bravehearts, der dieser Widerspruch nicht auffällt.
9. Wo und wann ich wieder Beiträge schreiben werde, wird sich zeigen. Erst einmal sitze ich nun über einem Enthüllungsbuch mit dem Arbeitstitel: „In der Bauchspeicheldrüse der Lügenpresse – ein Insider packt aus.“ Das dürfte Ulf Poschardt und Co. gar nicht gefallen. Erscheint im Frühjahr 2018 im Kopp Verlag…Bis dahin: Danke an die Leser der insgesamt 524 Beiträge auf Böss in Berlin. Ade.