Dieses Evangelium startet ganz anders als die beiden vorherigen und setzt den Schwerpunkt zuerst auf Johannes den Täufer, wobei sich eine erstaunliche und sicherlich nicht ganz zufällige Parallele zu Abraham und Sara im Alten Testament ergibt. Eigentlich hatten seine frommen und hochbetagten Eltern Zacharias und Elisabeth längst die Hoffnung aufgegeben, noch ein Kind zu bekommen, und sich damit abgefunden, ohne Nachwuchs zu bleiben. Doch alles änderte sich, als der Engel Gabriel dem alten Zacharias erschien und die frohe Kunde seiner sehr späten Vaterfreuden überbrachte.

Der Engel legte außerdem schon den Namen des Kindes fest (Johannes) und reagierte wütend, als Zacharias leise Zweifel daran äußerte, ob er wirklich noch Vater wird, denn: „Ich bin ein alter Mann und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter.“ Letztlich führte das zur absurden Situation, dass Gabriel dem Zacharias erst die schönste Nachricht seines Lebens überbrachte, bevor er ihn wegen seiner Zweifel mit Stummheit strafte. Bis zur Geburt des Johannes sollte er also nicht mehr sprechen können. Dabei zeigt die Verärgerung Gabriels, dass es die Menschen den göttlichen Heerscharen kaum recht machen können. Auf der einen Seite predigt Jesus selbst Wachsamkeit, damit man keinem falschen Propheten oder gar dem Satan folgt, doch auf der anderen Seite nehmen geflügelte Boten Gottes schon den geringsten Zweifel an einer überbrachten Botschaft persönlich und reagieren mit drakonischen Strafen.

Einige Monate nach diesen Ereignissen und der mittlerweile nicht mehr zu übersehenden Schwangerschaft Elisabeths, betrat Erzengel Gabriel ein einfaches Haus in Nazaret. Manchmal lauten die Worte, mit denen der Lauf der Weltgeschichte für immer verändert wird, ganz einfach nur: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir!“ Wer auf diese Weise von einem Fremden, vorzugsweise einem Engel, angesprochen wird, sollte also ganz genau zuhören. Gabriel hatte diese Worte zu Maria gesprochen, deren Jungfräulichkeit in diesem Teil der Bibel auffällig oft betont wird.

Gabriel nun verkündet der Jungfrau Maria, dass sie bald schwanger sein wird, ohne vorehelichen Geschlechtsverkehr zu haben, was eine schwere Sünde gewesen wäre. Verständlicherweise fragt Maria, wie das möglich sein soll, und vermutlich wird Gabriels Erklärung für sie die Sache nicht klarer gemacht haben: „Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ Doch sie vertraute einfach dem Engel, zumal dieser das kommende Kind Jesus in den höchsten Tönen lobte: „Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben“, außerdem werde er „Sohn Gottes genannt werden“. Das sind doch erfreuliche Nachrichten für eine werdende Mutter, die stolz darauf ist, wenn was aus dem eigenen Nachwuchs wird. Dass ihr Kind mit Anfang dreißig am Kreuz sterben wird und dazu maßgeblich der Titel „Sohn Gottes“ beitragen wird, unterschlägt der Erzengel bei diesem Gespräch, womit er zwar nicht lügt, aber auch nicht die ganze Wahrheit erzählt.

Maria jedenfalls ist überzeugt und freut sich auf das so angekündigte Kind, weswegen sie Gabriel mit den Worten verabschiedet: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Wenn der Erzengel solche gehorsamen Worte hört, muss er auch niemanden mit Stummheit bestrafen und so war es für beide Seiten letztlich ein außerordentlich angenehmes Gespräch gewesen.

(Fortsetzung folgt…)